Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
überprüfte Walcher öfter das Kripohandy, damit er ja keinen Anruf verpasste.
Land der Sonne
Als hätten sie das Tor in eine andere Welt durchfahren, blendete sie beim Verlassen des San-Bernardino-Tunnels strahlender Sonnenschein und verscheuchte ihre trübe Stimmung.
Daran änderten auch die vielen Baustellen nichts, dank denen sie auf der Talfahrt nach Bellinzona in aller Ruhe die Landschaft bewundern konnten und auch die bekannt tückisch positionierten Geschwindigkeitskontrollen im erlaubten Tempo passierten.
Bei Chiasso, dem Grenzübergang nach Italien, tranken sie Espresso und kauften ein Mautticket. Dann ging die Fahrt weiter, sie lagen gut in der Zeit. Vorbei an Mailand und Bergamo verließen sie eine Stunde später bei Rovato die Autobahn und fuhren auf Landstraßen in Richtung Sarezzo. Am Ortseingang von Sarezzo hielten sie bei einem Café, suchten sich einen schattigen Platz und bestellten Cappuccino und Mineralwasser.
Bis zum Anruf des Händlers blieb ihnen noch eine gute halbe Stunde. Mit jedem Kilometer, den sie sich dem vereinbarten Treffpunkt näherten, baute sich eine zunehmende Spannung auf, wie bei Jägern auf der Pirsch. Welches Wild mochte diesmal wohl auf sie warten?
»Sarezzo ist der Geburtsort von Papst Paul VI .«, glaubte Walcher seinen Freund aufzuklären.
»Der Pillenpapst, Enzyklika Humanae Vitae, hab auch ins Internet gesehen«, konterte Johannes, und beide schmunzelten.
Der Cappuccino schmeckte, ganz untypisch für Italien, nach einer Mischung aus saurer Milch und deutschem Bohnenkaffee, aber das war ihnen egal. Fünf Minuten vor drei klingelte das Handy. Aber es war nicht der erwartete Anruf des Händlers, sondern Brunner.
»Was ist los, warum melden Sie sich nicht wie vereinbart«, maulte er, und es hörte sich so nah an, als säße er mit am Tisch.
»Wir sind gerade in Sarezzo angekommen und warten auf den vereinbarten Anruf, also ciao commissario«, fertigte ihn Walcher ab. Das war gut so, denn Sekunden später rief der Italiener an.
»Wo sind Sie?«, fragte er ohne Begrüßung. Walcher las Straße und Name des Cafés von der Getränkekarte ab.
»Okay, fahren Sie von der Via Republicca auf die Via Antonini in Richtung Lumezzane. Sie folgen dieser Straße, die bald Via Brescia heißt. In Lumezzane biegen Sie die fünfte Straße nach dem Ortsschild rechts in die Via Consorziale ab. Dort warten Sie. Was für einen Wagen fahren Sie, und wie lautet Ihr Kennzeichen?«
Walcher sagte es ihm.
»Ein Motorradfahrer wird vorbeikommen und auf Ihr Wagendach klopfen. Folgen Sie ihm. Ciao, bis später.«
Johannes zahlte, und sie machten sich auf den Weg nach Lumezzane. Dort kamen sie schon zehn Minuten später an, bogen wie beschrieben in die Via Consorziale ein, hielten dort und warteten. Johannes hatte sich gerade eine Zigarette angezündet und blies den Rauch genussvoll aus dem offenen Fenster, als hinter ihnen ein junger Mann auf einer knatternden Geländemaschine auftauchte, kurz hielt, auf ihr Wagendach klopfte und dann langsam weiterfuhr. Johannes ließ den Motor an und fuhr hinterher.
»Jetzt wird’s ernst«, stellte er fest.
»Wir schaffen es auch diesmal«, beruhigte ihn Walcher, »aller guten Dinge sind drei.«
»Klar doch«, grinste Johannes, »in meinem Horoskop für diese Woche stand: Nutzen Sie die Gunst der Stunde, eine unvergessliche Bekanntschaft steht Ihnen bevor.«
Walcher lächelte etwas angestrengt, sein Adrenalinpegel war deutlich angestiegen. Zudem hätte er nach dem Cappuccino und dem Wasser doch noch die Toilette aufsuchen sollen. Nun war es zu spät, denn sie ließen die letzten Häuser von Lumezzane hinter sich und fuhren zwischen Rebhängen auf einem engen Sträßchen dem Motorrad hinterher. Walcher versuchte sich mit Gedanken an den köstlichen Wein dieser Gegend abzulenken. Bald würde die Lese beginnen, die Weinstöcke hingen voller prächtiger Trauben.
Ohne Vorwarnung bremste Johannes heftig ab, ihr Führer war in ein Wäldchen abgebogen, wartete dort aber, bis er sah, dass sie es mitbekommen hatten. Dann fuhr er langsam weiter und bog bald in die Einfahrt eines von dichten Hecken gesäumten Grundstücks. Eine Art Wochenendgrundstück, auf dem ein Caravan stand, vor dem Johannes anhielt. Der Motorradfahrer demonstrierte noch seine Fahrkünste, pflügte die staubige Wiese mit einem Wheely und raste davon.
Walcher stieg aus und ging auf das Wohnmobil zu, vor dem sich ein Mann von einer Liege erhoben hatte.
»Buon giorno, Signore Hoffmann, Sie
Weitere Kostenlose Bücher