Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Pauschalhonorar von 25 000 Euro zuzüglich Reisekosten und Spesen, die Rückführungskosten im Fall des Todes eingeschlossen, wie der zuständige Redakteur nicht ohne Sinn für düsteren Humor anmerkte.
Walcher schmunzelte, als er an Holger Solinger, den Redakteur dachte, der ihn immer wieder einmal, etwa seit zehn Jahren, mit meist interessanten Reportagethemen beauftragte. Terminiert war der Artikel für die Ausgabe in der letzten Novemberwoche.
Er würde also spätestens im Oktober die Reise nach Kabul antreten müssen, wo dann sicher alles in allem 14 Tage bis drei Wochen einzuplanen wären. Walcher nahm sich vor, nach der Italienfahrt mit Irmi und den Armbrusters zu sprechen und sich erst dann bei Solinger zu melden. Sein aktueller Kontostand sprach für die Annahme des Angebots.
Eine Stunde später begrüßten sich Walcher und Johannes.
»Also, auf ein Neues«, meinte Johannes und bestand darauf zu fahren: »Das ist mein Part. Marianne hätte dich auch gern gesehen, aber sie hat gerade eine Konferenz, ich soll dir einen Gruß ausrichten.«
Johannes gab sich locker, wie jemand, der sich über einen kleinen Ausflug freute. Schweigend konzentrierte er sich auf den dichten Züricher Stadtverkehr und begann erst zu sprechen, als sich auf der Autobahn Richtung Chur die Verkehrslage beruhigte.
»Ich muss etwas weiter ausholen«, begann Johannes. »Bin da auf einen Verein gestoßen, der schwer erziehbaren und verhaltensauffälligen Kindern Auslandsaufenthalte ermöglicht. ›Pfad der Hoffnung‹ nennt er sich. Jugendämter beauftragen karitative oder kirchliche Organisationen, die sich in der Kinder-und Jugendfürsorge engagieren, mit der Betreuung solcher Kinder und Jugendlichen. ›Pfad der Hoffnung‹ arbeitet mit diesen Organisationen zusammen und bietet in ganz Europa Plätze in Pflegefamilien an. Sie werben mit ihrer sozialpädagogischen Kompetenz, dem Training von Tagesstrukturen, dem Erlernen von Selbstverantwortung und so weiter. Diese Pflegefamilien …«, Johannes lächelte kurz zu Walcher hinüber, »verdienen sich damit ein ordentliches Zubrot, manche leben sogar ausschließlich davon. Habe mir einige der Gastfamilien auf der Homepage des Vereins angesehen, wo sie ganz offen für sich werben. Dachte, mich trifft der Schlag, als ich da auf zwei mir bekannte Pädagogen stieß. Hatte sie vor etwa fünf Jahren interviewt, als sie wegen sexuellen Missbrauchs der eigenen Kinder angezeigt worden waren. Beide Fälle wurden nie verhandelt, weil die Staatsanwaltschaft es ablehnte, Anklage zu erheben. False memory Syndrom. Hast du etwas dagegen, wenn ich eine rauche?«, unterbrach Johannes.
»Seit wann denn das?«, stutzte Walcher, »ich dachte, du hättest damit aufgehört.«
»Dachte ich auch, also, stört’s dich? Ich mach’ auch das Fenster auf.«
Walcher zuckte nur mit den Schultern. Johannes zündete sich eine an und erzählte weiter. »Damals bei den Interviews, bei denen ich auch mit den betroffenen Kindern gesprochen habe, war ich mir absolut sicher, dass die Missbrauchsvorwürfe zutrafen. Sie wurden aber, wie gesagt, nicht mal angeklagt. Und jetzt bieten diese beiden ›Pädagogen‹ Plätze in ihren heilen Familien an. Ist das nicht geradezu ungeheuerlich? Wer glaubt denn schon einem verhaltensauffälligen Kind, wenn es sich darüber beschwert, dass es vom Pflegevater täglich eingeseift und abgeschrubbt wird, wo dies doch nur der Hygiene dient. Außerdem, bei wem sollen sich die Kids beschweren?« Johannes drückte vehement die Zigarette im Aschenbecher aus und meinte: »Das nur zur Info, ich bleib da dran. Jetzt erzähl du, was gibt es bei dir Neues?«
»Also, dass ich Jeswita Drugajew in Berlin bei der Bordell-Razzia wiedergetroffen habe, weißt du ja schon«, begann Walcher.
»Hast du mir gemailt«, nickte Johannes.
Viel war es nicht gewesen, was Walcher ihm geschrieben hatte, deshalb berichtete er ihm ausführlich über Berlin, die Adressenliste von Dr. Hein und von der bundesweiten Razzia. An die genauen Zahlen der verhafteten Zuhälter und Menschenhändler, der befreiten Frauen und Jugendlichen konnte sich Walcher nicht mehr erinnern, aber die Tendenz stimmte.
»Und jetzt also ein Ring in Italien, wir kommen richtig in Fahrt«, stellte Johannes fest.
Lange Zeit schwiegen sie, und so grau wie ihre Gedanken war auch das Wetter geworden.
Später wiederholte Walcher die wichtigsten Ermahnungen von Brunner und gab Johannes die Armbanduhr mit dem Peilsender. Obwohl noch viel Zeit war,
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