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Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)

Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)

Titel: Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Rangnick
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Stofffetzen auf Mund und Nase. Als ich aufwachte, lag ein Mann auf mir. Ein halbes Jahr lang ging das so. Fünf Männer wechselten einander ab. Jede Nacht kam ein anderer und vergewaltigte mich. Dann stand plötzlich Papa im Zimmer und brachte mich nach Hause. Meiner Therapeutin verdanke ich es, dass ich inzwischen mich und auch alle Männer dieser Welt, außer Papa natürlich, nicht mehr umbringen will«, lächelte sie ihm zu.
    Mercedes erzählte mit einer Selbstverständlichkeit, als würde sie aus einem Buch über Gartenbau vorlesen, und es schien, als habe sie erraten, was Walcher und Johannes dachten.
    »Vielleicht wundern Sie sich, dass ich so offen darüber sprechen kann, aber das ist ein wichtiger Teil meiner Therapie. Ich weiß nicht mehr, wie oft oder von wem ich gequält und missbraucht wurde, aber das ist auch nicht so wichtig, schon ein einziges Mal wäre zu viel gewesen. Am Tag habe ich meine Erinnerung, meinen Ekel und meinen Hass im Griff, meine Therapeutin hat mir vieles beigebracht. Wie gesagt, tagsüber geht das, aber meine Träume kann ich nicht abschalten. Sie kommen immer wieder, dagegen bin ich machtlos, und sie werden mich wohl mein ganzes Leben begleiten. Die Abstände sind größer geworden, aber so einmal in der Woche kommen sie über mich, und dann sehe und spüre ich sie wieder, die Schwänze dieser Dreckschweine … und am Tag darauf hab ich dann einen unbeschreiblichen Hass. Wenn es nach mir ginge, ich würde sie ihnen abschneiden … Nur ohne Schwanz verlieren sie ihren Trieb.«
    Mercedes lächelte. »Das gehört zu meinem Therapieprogramm, auch die Wut und den Hass zuzulassen. Das konnte ich nicht immer. Ich musste erst wieder lernen, wie es ist, normal fremden Männern zu begegnen und nicht in jedem einen Triebtäter zu sehen. Wir üben die Begegnungen mit Menschen, mit Jungs und Männern. Mir geht es inzwischen besser, ich glaube, dass ich inzwischen auf einem guten Weg bin. Ich entdecke wieder meinen Körper und meine eigene Sexualität. Ich kann mich wieder im Spiegel ansehen und berühren. Wir haben alle hart daran gearbeitet, Papa, unsere Freunde, meine Therapeutin. Meine Mama hat das alles nicht mehr erleben müssen, sie ist vor fünf Jahren an Krebs gestorben. Ach, Papa hat mir vorhin erzählt, dass Sie ihm Verantwortungslosigkeit vorgeworfen haben. Was glauben Sie, wie lange ich ihn erpressen musste, damit er mich als Lockvogel einsetzte. Das war nämlich meine Idee. Ich will später auch Polizistin werden, wie Papa«, lachte Mercedes verschmitzt und war einen kurzen Moment lang wieder ein 14-jähriges Kind. »Ja, das war’s dann eigentlich schon.«
    Walcher und Johannes saßen wie versteinert auf ihren Stühlen. Da half es ihnen auch wenig, dass sie sich viele Gedanken über Missbrauch gemacht hatten, einem Opfer, einem Kind gegenüberzusitzen und von dessen Missbrauch erzählen zu hören, besaß noch einmal eine völlig andere Dimension. Es dauerte lange, das Schweigen in jener Nacht, auf der Terrasse über den Weinbergen. Walcher brach es und lud die beiden zu sich ins Allgäu ein. Er erzählte von Irmi, von Rolli und Bärendreck und von der Aussicht auf ähnlich grüne Hügel, nur mit dem Unterschied, dass darauf kein Wein wuchs, sondern Kühe weideten.
    Ohne auf Walchers Einladung zu antworten, sprang Campagnone auf und kam kurz darauf mit Gläsern und einer Flasche zurück, entkorkte, schenkte ein und hob ein Glas hoch.
    »Mit einem Champagner von diesen Weinbergen danke ich herzlich für Ihre Einladung, die ich mit Freuden annehme. Zuerst aber bitte ich darum, dass wir Du zueinander sagen, das ist mir ein besonderes Bedürfnis.«
    In diesem Augenblick verabschiedete sich die Nacht, und der Morgen dämmerte. Sie tranken auf ihre Bekanntschaft, auf Mercedes und auf den jungen Tag.

Der Beobachter
    Auch im Allgäu ging die Sonne auf. Missmutig faltete Toni die dunkelgrüne Plane zusammen, unter der er sich vor der Feuchtigkeit geschützt hatte. Wieder eine ungemütliche Nacht verbracht, wieder vergeblich. Toni dehnte seine verspannten Rückenmuskeln, dann packte er die Plane in den Rucksack und machte sich auf den Heimweg.
    Als einen »knorrigen Typen« bezeichneten ihn Touristen, wenn er ihnen zufällig über den Weg lief. Für die Bewohner des Tals war er ein störrischer Eigenbrötler, was jedoch in der Gegend eher als normal galt.
    Mit 18 hatte er den kleinen elterlichen Berghof, der im Oberallgäu Alpe hieß, verlassen, weil er sich mit den Ziegen und Rindern zwar

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