Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
gut verstand, nicht aber mit dem Vater. Da konnte auch die Mutter nicht vermitteln, die noch stiller wurde, nachdem ihr Anton gegangen war.
Nach erfolglosen Versuchen, irgendwo Arbeit zu finden, kam der Ruf der Bundeswehr gerade recht, denn außer Ziegen und Kühe zu hüten, zu melken und aus der Milch Käse zu machen, hatte Toni nichts gelernt. Der Schulweg war weit gewesen, und außerdem brauchte ein Bergbauer nicht viel mehr, als schreiben und lesen und ein bisschen rechnen zu können, hatte der Vater gemeint, denn für ihn war klar, dass der Sohn eines Tages die Alpe übernehmen würde. Dass der Toni einfach ging, konnte er nicht verstehen, schließlich hatte ihm an seinem Vater ja auch nicht alles gefallen, und trotzdem war er nicht einfach davongelaufen.
Es war eine harte Zeit für Anton gewesen, in der Kaserne mit all dem Drill und Geschrei und dass er mit noch drei anderen in einem Zimmer schlafen musste. Ab der ersten Nacht hatte er sich nach seiner Kammer zurückgesehnt und nach den Geräuschen der alten Holzbalken. Nach der besonderen Ruhe, dem Rauschen aus dem Wald und nach dem Glucksen der Bäche, das nach jedem Regen zu einem gewaltigen Tosen anschwellen konnte. Toni hatte sich nach dem Duft der Wiesen gesehnt und nach den Glocken, die ihm erzählten, ob die Tiere weideten oder faul herumlagen oder sich gar von der Herde entfernt und gefährlichem Terrain genähert hatten.
Übermächtig war seine Sehnsucht nach dem Bild der Gipfel, die an klaren Tagen den blauen Himmel berührten oder in die Wolken stachen. Auch die Einsamkeit hatte ihm in der lauten Stadt gefehlt. Wie eine Befreiung war es ihm deshalb vorgekommen, als der Militärdienst vorüber war und er wieder in die Berge ziehen konnte.
In der Sennerei Egg, im Bregenzer Wald, hatte er Arbeit gefunden, aber wer zum selbständigen Bauern erzogen wurde, tut sich schwer, ein Knecht zu sein. Trotzdem war Toni zwei Jahre in der Sennerei geblieben und hatte alles über die Käsezubereitung gelernt, was ihm sein Vater noch nicht beigebracht hatte. Dann der Anruf von der Mutter, dass der Vater beim Holzmachen verunglückt sei und es nicht gut um ihn stünde. Anton kam nicht mehr rechtzeitig, um sich von seinem Vater zu verabschieden. Er war auf dem Transport ins Krankenhaus gestorben.
Schon in der ersten Nacht in seiner winzigen Kammer wusste Toni, was er all die Jahre vermisst hatte. Am nächsten Tag wanderte er die Weiden ab, sprach mit den Kühen, dem Jungvieh und den Ziegen. Dann sah er auch bei der Berghütte vorbei, die schon seit Großvaters Zeiten verpachtet war. Immer noch galt die Vereinbarung, dass man nach dem Rechten sah und dafür jedes Jahr, zusätzlich zur Pacht, 150 Euro bekam.
So klein die Alpe auch war, sie forderte Tonis ganze Kraft und Zeit. Da mussten Heu und Holz für den Winter gemacht, Reparaturen am Hof ausgeführt, jeden Tag die Tiere gemolken und die Milch verarbeitet werden. Einmal die Woche brachte er seine Käsesorten nach Oberstdorf zu einem Händler, der die gesamte Produktion abnahm und auf Märkten verkaufte. Aus der Ziegenmilch machte die Mutter einen leichten, halbfesten Frischkäse, den regelmäßig ein Händler aus Oberstaufen abholte.
Auf der Hochweide, oben am Piesenkopf, hielt Toni das Jungvieh und machte Heu. Früher hatten sie dort oben noch eine Alpe bewirtschaftet, aber das war nicht ohne Hilfskraft möglich. Alle zwei Tage fuhr Toni mit seinem Motorrad hinauf und sah nach dem Rechten, auch bei der Pachthütte schaute er vorbei.
Heimfahrt
Der frühen Morgenstunde war zu verdanken, dass Walcher und Johannes zügig vorankamen. Gegen sieben Uhr rief Walcher die Armbrusters an, um Irmi ein Lebenszeichen zu geben, aber sie war schon aus dem Haus. Opa Armbruster versprach, sie auf ihrem Handy anzurufen, denn Walcher kannte Irmis Nummer nicht auswendig und auf dem Polizeihandy war sie natürlich nicht gespeichert.
Auch Johannes telefonierte, er rief Marianne an und meldete seine Ankunft für den späten Vormittag.
Eine Zeitlang schwiegen die beiden dann, bis Johannes meinte: »Das war’s dann wohl, oder willst du etwa noch einen Versuch starten?«
Walcher schüttelte den Kopf: »Das nicht, aber irgendwie habe ich immer noch das Gefühl, dass mir für eine gute Geschichte noch der richtige Abschluss fehlt. Etwas Persönliches … etwas, das einem Dossier den Charakter eines Aufrufes gibt, ein Fanal, verstehst du?«
»Mmmhhh«, mehr kam von Johannes nicht. Wieder schwiegen sie, dann stellte Johannes fest:
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