Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
die Leute im Burgund erfahren hatte. Die Einladung nach Italien nahm er schon einmal herzlich an, auch wenn er erst noch mit Irmi darüber sprechen wollte. Vermutlich würde sie begeistert sein, denn außer dass sie gemeinsam Ferien machen wollten, hatten sie noch nichts besprochen. Und Walcher gab zu, dass er sich wirklich noch keine großen Gedanken gemacht hatte.
Die Spedition
Nikolas Bromadin, wie üblich der Letzte, schaltete das Licht im gesamten Bürotrakt aus, ging hinaus und schloss die Tür hinter sich ab. Der Hof mit den sechs Laderampen und die Lagerhalle blieben auch über Nacht von grellem Scheinwerferlicht angestrahlt. Zwei Sattelschlepper wurden gerade entladen, ein weiterer würde im Laufe der Nacht eintreffen.
Nikolas war stolz auf das Speditionsunternehmen, das er zusammen mit Jirji, seinem Bruder, und Onkel Edwin seit fünf Jahren betrieb und immer weiter ausgebaut hatte.
Von Deutschland aus transportierten sie Güter aller Art in abgelegene Orte der GUS -Staaten, die anzufahren für die großen Spediteure unrentabel war, und hatten mit dieser Spezialisierung bisher gute Geschäfte gemacht. Auf den Fahrten zurück nach Deutschland übernahmen sie als Subunternehmer Aufträge anderer Speditionen oder Fracht von Kleinunternehmen, die sich Kontakte zum Westen aufgebaut hatten. Nikolas wäre zufrieden mit der Entwicklung seines Unternehmens, hätte es da nicht die Geldgier des Bruders und des Onkels gegeben.
So bescheiden und sparsam, wie er selbst lebte, so verschwenderisch gingen Jirji und Onkel Edwin mit dem Geld um. Sie verprassten es und gaben ständig mehr aus, als sie sich als Geschäftsführer an Gehältern selbst ausbezahlten. Die beiden steuerten die Zentrale in Gorki und führten sich auf wie Großfürsten, während Nikolas in Berlin gemeinsam mit seiner Freundin Marita den weitaus größeren Arbeitsanteil erledigte.
Im Gegensatz zu der Villa in Gorki hausten Nikolas und Marita in einem heruntergekommenen Plattenbau im Stadtteil Schwanebeck. Jirjis und Onkel Edwins verschwenderischer Umgang mit Geld hätte ihn kaltgelassen, wenn die beiden nicht auch noch vor einem halben Jahr mit diesem lukrativen Zusatzgeschäft begonnen hätten. Nikolas war die Sache nicht geheuer. Die immer größer werdende Zahl an Sondertransporten bereitete ihm, dem soliden Kaufmann, mehr und mehr Kopfzerbrechen. Zum einen fürchtete er die Behörden, zum anderen widersprachen diese Sondertransporte seiner Auffassung von Rechtschaffenheit. Allerdings häuften gerade diese Privattransporte auf seinem Sparkonto atemberaubend schnell Geld an, so viel, wie er sonst nie hätte ansparen können. So hielten seine Moralanwandlungen in etwa so lange vor wie Eiswürfel in einem Gin Tonic. Außerdem war er bisher noch nie mit dem Transportgut in Berührung gekommen. Nur einmal hatte er einen Blick in eine der verborgenen Transportkabinen geworfen, ungefähr so flüchtig, wie man auf einer Bäderausstellung einen Blick in eine Duschkabine wirft. Trotzdem hatte ihn das Bild einige Tage lang verfolgt. Der Kabinenraum war achtzig Zentimeter tief gewesen und so breit wie der Auflieger. Die Trennwand zum Laderaum hatte wie eine ganz normale Wand aus Aluminium ausgesehen. Man stieg von unten her durch eine raffiniert getarnte Bodenluke ein, denn manchmal schoben die Zöllner große Spiegel unter die Trucks, um nach Verstecken zu suchen. Im Inneren hatte eine beängstigende Enge geherrscht. Fünf Kojen übereinander, aus Holzlatten gezimmert, jeweils sechzig Zentimeter hoch. Den Reisenden blieb nichts anderes übrig, als sofort in die Kojen zu kriechen, denn neben der Einstiegsluke war nur noch Platz für ein chemisches Klosett.
Nikolas schauderte es bei der Vorstellung, in diesem Verschlag stunden-, ja tagelang über Straßen gerüttelt zu werden. In den sargähnlichen Kojen brannte zwar immer Licht, es war auch eine Lüftung installiert, aber eine Fahrt darin musste eine Tortur ohnegleichen sein. Wer noch dazu auch nur ansatzweise unter Klaustrophobie litt, durchlitt da drinnen vermutlich Höllenqualen. Von den Lagerarbeitern wusste keiner, dass es in zwei der Trucks diese Verstecke gab. Nur die Fahrer waren eingeweiht und profitierten natürlich in Form barer Münze.
Nikolas wusste wenig über die Transporte. Er redete sich ein, dass diese Leute freiwillig in den Westen wollten. Über das Syndikat wusste er nichts, außer, dass es viele kriminelle Organisationen in der Heimat gab, denen man ständig Gelder für alle
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