Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
bisschen arbeiten. Wie wär’s mit einem Spaziergang?«, schlug er vor.
Mäßig begeistert stimmte Irmi zu. Walcher hatte ein Buch über Hundetraining besorgt, nach dem sie bei Rollis Erziehung vorgingen. Kurz darauf schallten »Sitz! Platz! Steh! Komm, braver Hund!« durch den Allgäuer Abend. Erst nach einer Stöckchenwurfrunde um den Hof herum trat Ruhe ein.
Sie saßen dann noch auf der Bank neben der Haustür und sahen der Sonne zu, wie sie hinter dem Scherenschnitt der Alpengrate versank. Irmi stoppte die Zeit und erklärte dabei, dass nicht die Sonne unterging, sondern sich die Erde weiterdrehte. Das hätte ihr Opa Brettschneider erzählt. Als Irmi auf ihre Uhr sah, sprang sie hektisch auf, beinahe hätte sie eine Soap im Fernsehen verpasst, die nun schon seit zehn Minuten lief. »Ich kann sonst in der Schule nicht mitreden«, beugte sie eventuellen Argumenten Walchers vor und stürmte ins Wohnzimmer. Sekunden später hörte Walcher durch das offene Fenster das grausame Gestammel eines verliebten Assistenzarztes, der die Rolle eines Bayern in Hamburg spielen musste, seinen sächsischen Dialekt aber nicht verleugnen konnte. Walcher flüchtete erst in die Küche und dann mit einem Glas Rotwein an den PC in seinem Arbeitszimmer.
Im Mailordner hatten sich 45 E-Mails angesammelt, die meisten davon überaus lästige Spam-Mails, die sich immer raffinierter tarnten, sogar schon als Mahnungen der Steuerbehörden. Walcher löschte sie mit einem stillen Fluch auf die Technik und die Unverfrorenheit der Versender.
Susanna wollte wissen, ob es ihm gutginge, und forderte ihn auf, sich wieder einmal zu melden. Prompt beschlich Walcher ein schlechtes Gewissen. Seit Susanna ihn auf dem Hof besucht hatte, schob er eine Entscheidung über ihre Beziehung hinaus und beantwortete ihre Mails und Anrufe zurückhaltend und vage. Er mochte sie sehr, aber irgendwie passte sie nicht in seine Welt. Oder besser gesagt, noch nicht. Aber das musste er ihr bald erklären, sonst lief er Gefahr, sie zu verlieren. Deshalb fragte er sie, ob er sie in Frankfurt besuchen könnte.
Auch Johannes hatte ihm geschrieben und wollte wissen, was die Besprechung in München ergeben hatte. Ruf mich an, Johannes, hieß es am Schluss seiner Mail.
Mit Johannes verband Walcher seit ihrem gemeinsamen Studium der Journalistik und Kommunikationswissenschaften in Hamburg eine unaufgeregte, aber stabile Freundschaft.
Mal hörten sie monatelang nichts voneinander, mal unterstützten sie sich bei ihren Recherchen, mal arbeiteten sie gemeinsam an einem Projekt und telefonierten dann fast täglich miteinander. Walcher nahm sich vor, Johannes später am Abend anzurufen.
Die wichtigste Mail aber öffnete er zuletzt. Der Menschenhändler aus Frankreich lud ihn zu einer Weinprobe ins Burgund ein. Jetzt wurde es ernst. Walcher prostete dem Bildschirm zu: »Monsieur le Comte, je viens!«
Kommissar Brunner
»Wenn ein Journalist mich aus freien Stücken besuchen kommt, dann ist er entweder scharf auf ein geistiges Getränk, was noch das einfachste Problem wäre, oder er hat einen Anschlag auf mich vor.«
Unaufgefordert schenkte Kommissar Brunner aus seiner Bar, die ein auf antik gemachter riesiger Globus verbarg – für das Büro eines Kriminalbeamten ein recht ungewöhnliches Möbelstück –, zwei Williams in Schnapsgläser und reichte Walcher eines davon.
Es war der gleiche ausgezeichnete Williams, den Walcher schon bei der ersten Begegnung mit Brunner kosten durfte. Vier Monate war das her. Damals hatte ihn der Kommissar in sein Büro mitgenommen, nachdem er in einem Haus in Lindau drei Leichen entdeckt und der Polizei gemeldet hatte. Die beiden hatten sich im Laufe der Ermittlungen zu dem Fall kennen-und schätzen gelernt. Von einer Freundschaft zu sprechen, wäre allerdings zu hoch gegriffen, aber sie waren sich auf Anhieb sympathisch. Auch war Brunner, offensichtlich ausgestattet mit dem Instinkt eines Polizisten, immer zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen, um Walcher zur Seite zu stehen, wenn »so richtig die Post abging«, wie es der Kommissar formulierte.
»Oder hat der Herr Walcher mir etwa wieder einmal ein paar Leichen zu bieten?«, wollte Brunner wissen, nachdem er genussvoll einen Schluck Williams getrunken hatte.
»Keine Leichen, aber ich brauche trotzdem Ihre Hilfe, ich will nämlich ein Kind kaufen«, erwiderte Walcher im selben trockenen Ton und stellte sein leeres Glas auf Brunners Schreibtischplatte.
Kopfschüttelnd setzte sich Brunner auf
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