Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Sie mich regelmäßig über den Fortgang Ihrer Recherche auf dem Laufenden.«
Dann hatte er sich verabschiedet: »Sie entschuldigen, aber Termine, Termine«, und war ebenso hektisch davongeeilt, wie er zuvor mit einer halben Stunde Verspätung zu ihrem vereinbarten Treffen in die Lobby des Intercity-Hotels gehetzt war.
Ungeachtet dieses seltsamen Treffens war Walcher höchst motiviert an die Arbeit gegangen, denn das Thema Menschenhandel stand bereits seit einiger Zeit in seinem eigenen Themenspeicher.
Zunächst meldete er in Rom eine E-Mail-Adresse an, die er von Weiler aus verwalten konnte. Ein raffiniertes Sicherheitsprogramm, das er von seinem Freund Hinteregger erhalten hatte, schützte ihn vor Zugriffen, sollte jemand herauszufinden versuchen, wer sich hinter dieser Adresse verbarg. Eine durchaus sinnvolle Vorsichtsmaßnahme für Recherchen in diesem Milieu. Dann hatte er zu zwei Händleradressen Kontakt aufgenommen, denn wie sollte er sonst die Leute und ihre Organisationen kennenlernen, wenn nicht über Handelsbeziehungen? Mit einem Händlerring in Frankreich und einem Vermittler in Norditalien, beides Adressen aus Auenheims Unterlagen, stand er seit nunmehr vier Wochen in Kontakt. Er gab sich ihnen gegenüber ebenfalls als Händler aus und stand nun bei beiden unter Zugzwang. Sie würden demnächst Ware gegen Geld gewechselt sehen wollen, zu lange schon hielt Walcher sie mit immer neuen Ansprüchen an die Kinder, die er vermeintlich kaufen wollte, hin.
Er fragte wiederholt an, erhielt Mails mit Fotos der »Ware« und antwortete bisher immer mit: »Nicht gut genug«. Diese Tour konnte er nicht länger fahren. Ihm war klar, dass er sich den Händlern zeigen und nun endlich Ware ordern musste.
SOWID
»Perverses Schwein«, keifte die Stimme als Antwort auf Walchers Hinweis, dass er beabsichtige, ein Kind zu kaufen, dann brach die Telefonverbindung ab. Walcher war kurz vor der Lautstärke zurückgeschreckt, aber das hinderte ihn nicht, auf die Wahlwiederholungstaste zu drücken. Beharrlichkeit hielt er immer schon für eine der wichtigsten Eigenschaften eines Journalisten, und außerdem musste er sich eingestehen, nicht den intelligentesten Gesprächseinstieg gewählt zu haben.
»Hier SOWID , Sie sprechen mit Frau Weinert, was kann ich für Sie tun?«, meldete sich die Stimme erneut, allerdings nun in einem normalen Tonfall. Offensichtlich hatte sich Frau Weinert sehr rasch wieder beruhigt. Diesmal brüllte Walcher seinerseits in den Hörer: »Hören Sie mich doch bitte erst einmal an, bevor Sie mein Trommelfell malträtieren. Ich bin Journalist und recherchiere über Menschenhandel.«
»Das hätten S’ ja gleich sagen können«, klang es nun deutlich freundlicher aus dem Hörer. »Entschuldigen S’ bitte meine Reaktion, aber es melden sich bei uns tatsächlich des Öfteren Männer, die anfragen, ob wir ihnen nicht eine Frau beschaffen könnten. Ausgerechnet wir! Einen Moment bitte. Ich verbind’ Sie mit Frau Dr. Hein, sie ist die Leiterin unserer Münchner Niederlassung. Adieu, und nehmen Sie’s nicht persönlich.«
Es knackte in der Leitung, eine von diesen grässlichen Warteschleifen-Melodien ertönte, dann eine Stimme, die so unglaublich erotisch nach Cognac, Zigaretten und Nachtleben klang, dass Walcher einen Moment lang abgelenkt war. Für eine Organisation, die sich dem Schutz von Frauen verschrieben hatte, für seinen Geschmack eine etwas gewagte Stimme.
»Hallo, hören Sie?«, holte ihn die rauchige Stimme in die Wirklichkeit zurück, und Walcher erklärte sein Vorhaben.
Frau Dr. Heins Antwort war kurz und präzise.
»Das hört sich gut an, da können wir mitmachen. Kommen Sie doch am besten einfach bei uns vorbei, dann gehen wir alle Fragen durch. Würde es Ihnen gleich morgen passen, so um elf Uhr?«
Walcher sagte zu und bekam noch von Frau Dr. Hein die besonders tückischen Einbahnstraßen erklärt, um problemlos das Büro der SOWID in einem Innenhof in der Adalbertstraße in München zu finden.
Rodica II
Sie saß Ewa gegenüber, ihrer geistig behinderten Schwester, die sie traurig aus einem Auge anblickte, denn das andere war unter dunkel verfärbter, geschwollener Haut verborgen. Der Vater wurde immer gewalttätiger.
»Komm mit mir«, rief Rodica, »auch wenn es hier nicht viel besser ist, vielleicht ist das Leben ja so.« Rodica streckte der Schwester die Hand entgegen und spürte den Druck warmer Finger. Aber der Druck wurde fester und fester und begann zu schmerzen, und die
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