Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Gesetzen verstoßen, noch dazu aus Gründen, über die man durchaus geteilter Meinung sein kann.«
Walcher musste sich zügeln, um Brunner keine giftigen Bemerkungen an den Kopf zu werfen, nur den Hinweis auf Krähen, die sich gegenseitig keine Augen auspickten, den konnte er sich nicht verkneifen.
»He, he«, brummte Brunner, der sich Walchers Frust über seinen Kommentar nur zu gut vorstellen konnte, »kommen Sie wieder runter, überall gibt es Korinthenkacker, aber es gibt immer auch welche von der anderen Sorte, nehmen Sie zum Beispiel mich.«
Jetzt musste Walcher zwar schmunzeln, aber sein Groll blieb. Er konnte sich über derart überflüssige Papierschlachten maßlos aufregen, vor allem, wenn er dahinter beamtenstaatliche Disziplinierungsmaßnahmen vermutete, und als solche stufte er diesen Schrieb des Herrn Staatsanwalts ein.
»Haben Sie meine E-Mail von gestern Abend schon gelesen?« Walcher war klar, dass Brunner seine Mail noch gar nicht gelesen haben konnte, aber nachdem der Kommissar nicht auf seine Hetzrede eingegangen war, wollte er vom wahren Grund seines Anrufs ablenken. Immerhin war Brunner ebenfalls Beamter, und seine Empfindlichkeit gegen Angriffe auf diese Bevölkerungsgruppe schien, jedenfalls an diesem Morgen, besonders hoch zu sein, auch wenn er sich meist ebenfalls abfällig gegenüber dem Gros der Staatsdiener äußerte. Vielleicht steckten Brunner und der Staatsanwalt sogar unter einer Decke, um den allzu nervigen Journalisten zu zügeln?
»Nein, ich bin auf dem Weg ins Büro und bisher guter Laune. Gibt’s was Wichtiges?«
Bevor Brunner nicht auch in die traurigen Augen des Kindes gesehen hatte, wollte Walcher nicht über die Mail sprechen. Er verfluchte seine Spontaneität. »Wichtig schon, trotzdem hätte ich Sie nicht angerufen, wenn ich vorher auf die Uhr gesehen hätte, sorry. Melden Sie sich doch bitte, wenn Sie meine Mail gelesen haben.«
Brunner grummelte irgendetwas von Frühaufstehern, versprach, die Mail sofort als Erstes nach Eintreffen in seinem Büro anzusehen, und brach die Verbindung mitten in seinem: »Ansonsten wünsche ich Ihnen …«, einfach ab.
Walcher zuckte mit den Schultern und setzte Wasser für eine zweite Tasse Schwarztee auf. Bis das Wasser heiß war, ging er in den Garten, um sich einige Blätter Minze zu pflücken. Rolli begleitete ihn, schnupperte interessiert an den Minzstängeln und sah Walcher zweifelnd an. Gern hätte Walcher die Frage verstanden, die in dem Blick des Hundes lag.
Der Morgennebel hatte sich beinahe aufgelöst. Nur noch in den Schattenhängen krallten sich vereinzelt Schleierfetzen in den Baumwipfeln fest, als ob sie sich dort vor den Sonnenstrahlen schützen könnten. Die Vermählung von Tag und Nacht hatte wieder einmal nicht geklappt, der Brautschleier war vor der Zeit zerschlissen.
Die Minze duftete berauschend. Schwarztee mit Minze und viel Zucker, eine Angewohnheit aus Marokko. Vorsichtig trug Walcher die große Tasse, die gut einen halben Liter fasste, die Treppen hinauf und setzte sich an den PC . Während der Computer hochfuhr, blätterte er im Kalender. Die Schulferien begannen am 30. Juli, die ersten beiden Wochen hatte er Irmi versprochen, also konnte er erst ab Mitte August einen Termin mit dem italienischen Händler vereinbaren. So lange würde der aber mit dem aktuellen Angebot nicht warten. Menschenhändler ließen sich vermutlich nicht darauf ein, die Ware einige Wochen zurückzulegen. Deshalb schrieb Walcher eine Mail, in der er sich für das Angebot bedankte, aber erst wieder ab dem 15. August Bedarf signalisierte, bis dahin hätte er Urlaub. Er änderte den Urlaub in Geschäftsreise um, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass Menschenhändler Urlaub machten.
Auch an Johannes schrieb er eine Mail, in der er sich noch mal nach Neuigkeiten über Jeswita erkundigte und von dem Anruf aus Berlin berichtete. Er forderte ihn auf, vorsichtig zu sein, denn wenn seine Vermutung stimmte, besaß der Anrufer auch Johannes’ Telefonnummer und damit auch die Adresse. Danach arbeitete Walcher an seinen Notizen weiter.
Als ob es Gedankenübertragung gäbe, rief Brunner an und warnte ihn vor Italien. Er solle aufhören, Polizist zu spielen, und außerdem müsste er doch inzwischen genügend Stoff für einen Artikel zusammenhaben. Bevor Walcher irgendetwas erwidern konnte, brach der Kommissar das Gespräch ab. Walcher ließ es bleiben, ihn gleich zurückzurufen. Wenn der Termin feststand, hatte das immer noch Zeit, denn
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