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Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)

Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)

Titel: Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Rangnick
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irgendwann in der zweiten Augusthälfte würde er den Menschenhändler in Italien aufsuchen, mit oder ohne Unterstützung des Herrn Kommissars. Allerdings wollte er Johannes dabeihaben, weshalb er ihm die zweite Mail an diesem Vormittag schrieb und ihn nach seiner Terminplanung im August fragte. Kommentarlos hängte er das Angebot aus Italien an die Mail.
    Zehn Minuten später kam die Antwort von Johannes.
    Quando comincia lo spettacolo?
    Ebenso prompt schrieb ihm Walcher zurück. Mach mir ein, zwei Terminvorschläge, die werde ich dem Italienier anbieten.
    Dabei musste er an Brunner denken. Hatte der Kommissar recht mit seinen Vorwürfen? Wollte er Polizist spielen, und ging es ihm nur um den Artikel? Walcher schüttelte den Kopf. Auch wenn der Händler in Italien vermutlich zu einer anderen Organisation gehörte, er stand auf Auenheims Liste. Außerdem gab es noch viele offene Fragen, selbst wenn der bisherige Stoff für einen guten Artikel ausreichte. Wo saßen die Köpfe der Organisationen, welche offiziellen Stellen waren involviert? Wie wurden die Kinder beschafft? Wurden sie eingekauft, entführt, mit falschen Versprechungen geködert? Wie erfolgte der Transport? Und dann noch eine ganz wesentliche Frage: Wohin verschwanden die Kinder? Von Johannes kam die Antwort, dass er ab dem 20. August jederzeit könne und sich freihalten würde. Deshalb legte Walcher den Termin auf den 20. und 21. fest. »Mail Italien«, trug er sich am 10. August in den Kalender ein. Da würde er dem italienischen Händler Bedarf melden und den Termin für das Treffen vorschlagen. Walcher blätterte den Kalender wieder auf das aktuelle Datum zurück und stieß dabei auf den von Irmi dick angekreuzten Sonntag.
    Bei dem Gedanken an die kommende erste Gedenkmesse für Lisa tauchten die alten Bilder wieder auf. Aber sie verloren langsam an Schärfe.
    Walcher erinnerte sich an seine Trauer, seinen Schmerz und an seine Wut. Erinnerte sich an die schwarzen Löcher, in die er nach Lisas Tod getaumelt war. Monate hatte es gedauert, bis die Häufigkeit der Traumfilme abnahm, in denen dieselben Szenen immer und immer wieder abliefen. Die Zeit hatte wie ein unterbewusstes Selbstschutzprogramm gewirkt.

Requiem
    Seit Walcher im Allgäu lebte, berührte ihn die tiefe Gläubigkeit der Leute. Auch die Armbrusters, Lisas Eltern, bezeichneten sich nicht nur als gläubige Menschen, sondern lebten nach den Regeln ihrer Religion, und dazu gehörte die Einhaltung alter Riten und Bräuche.
    Das »Jahresgedächtnis«, die Gedenkmesse, mit der die Erinnerung an den Toten zum Ende eines Trauerjahres wachgehalten wurde, war solch ein tiefverwurzelter und wichtiger Ritus. Deshalb wurde die Messe lange vor dem festgelegten Termin mit dem Pfarrer durchgesprochen und geplant. Schließlich musste der Chor der Pfarrei auch proben, was während der Messe gesungen werden sollte.
    Dann war der Sonntag gekommen. Walcher und Irmi saßen in der ersten Bank, neben ihnen die Großeltern, daneben Lisas Schwestern mit ihren Männern und ihren Kindern. Danach folgten die nahen und weitläufigen Verwandten und Freunde. Alle Bänke waren dicht besetzt, und auch im Mittelgang und in den Seitengängen standen die Menschen eng gedrängt. Die Familie Armbruster gehörte zu den alteingesessenen, war geachtet und galt etwas in der Gegend von Weiler.
    Schon beim Einzugsgesang mussten Walcher und Irmi mit den Tränen kämpfen, aber sie waren nicht die Einzigen. Irmi suchte seine Hand und ließ sie die ganze Messe über nicht mehr los. Der Pfarrer zelebrierte die Messe nach der vorgeschriebenen Liturgie, hatte jedoch den Armbrusters zugesagt, die kürzeste Form zu wählen. Frau Armbruster plagten nämlich seit Tagen ernsthafte Kreislaufprobleme. Das Gedenken an Lisa Armbruster verband der Pfarrer mit Erinnerungen und Trost für das Hier und Jetzt und mit der Hoffnung auf ein zukünftiges Leben in einer anderen, friedfertigen Welt.
    Walcher konnte der Predigt kaum folgen, er war mit seinen Gedanken wieder in jener Nacht und der Zeit davor, als Lisa noch am Leben war. An ihre letzten gemeinsamen Tage in Spanien dachte er, in denen sie behutsam Pläne für die Zukunft geschmiedet hatten. In seine Fürbitten schloss der Pfarrer die Eltern, die Verwandten und vor allem Irmi und Walcher mit ein. Nach den Gebeten sang auf der Empore der Chor Mozarts Requiem »Hebe deine Augen auf …«. Das war dann der Moment, in dem die Menschen in der Kirche von einer Art kollektiven Berührtheit ergriffen

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