Falkenjagd
schob beide Hälften über die lädierten Federstellen und
drückte sie ein paar Minuten fest zusammen. Die Knicke glätteten sich.
Den Rest der Karotten bestreuten Kersmackers und der Falkenierspage mit
Salz und ließen ihn sich schmecken.
Eine große Feder von Louises linkem Flügel war komplett
durchgebrochen, was ihre Flugsicherheit beeinträchtigte. Der restliche
Stumpf, der höchstens drei Fünftel der ursprünglichen Länge ausmachte,
stand hässlich quer ab.
Aus einer Fichtenkommode, die in der Schreibstube stand, holte
Kersmackers Dutzende von Federn hervor – Federn, die die
Falken in Triesdorf irgendwann einmal verloren hatten und die man seit
Jahren sammelte und aufhob. Mit geübtem Auge fächerte er sie sorgfältig
auf einer Tischplatte aus. Auch für die Auswahl der Nadel ließ er sich
Zeit. Dreieckig musste sie oben sein, aus gutem Stahl und unten sehr
spitz. Aber sie musste genau in die Röhre der Feder passen, nicht zu
dünn und nicht zu dick sein. Die, die er schließlich nahm, war an der
Spitze schon etwas abgerieben und musste extra zugeschliffen werden.
Als er damit fertig war, tauchte er sie in Salzwasser und spießte sie
ein Stück weit in die gekürzte Ersatzfeder. Louise hatte er einen Tag
hungern lassen, so dass sie jetzt gierig kröpfte und stillhielt,
während er ihr die neue Federspitze auf den alten Kiel aufpfropfte.
Anfang Dezember kam wieder trockenes Wetter. Für ein paar
Stunden legte sich jeden Tag ein Tuch dünnen Sonnenlichts auf die
Altmühl und ihre Nebenwasser. Die alten Leute setzten sich mittags vor
die Häuser, streckten die Gesichter vor und wärmten sich.
Für einen Donnerstag gegen elf Uhr war der
Besuch des Markgrafen avisiert.
Charles sprengte mit Reitzenstein, dem Oberschenk August
Friedrich von Wiese und einem Gefolge von sechs Husaren allerdings
schon viel früher auf den Hofplatz, so dass die Falkner noch nicht in
ihren schönen kanariengelben Beinkleidern steckten und nur in aller
Eile die lichtblauen Uniformröcke mit den roten Aufschlägen überziehen
konnten. Kersmackers ließ sich nicht hetzen, sondern brachte Louise mit
ruhigen Schritten. Er wusste, dass sein junger Markgraf schon mit zwölf
den ersten Reiher gebeizt hatte und so viel von Falken verstand wie er
selbst. Charles berührte Louises Fänge, besah sich ihren flachen,
straffen Kopf und die kalten, schwarzen Perlen ihrer Augen. Er jubelte
wie ein Kind über den puderfarbenen Schimmer, der sich inzwischen wie
der feinste Seidenstrumpf über ihr Gefieder stülpte. Bis ins kleinste
Detail besprach er mit Kersmackers Louises Pflege und ihre zukünftige
Verwendung in Triesdorf. Dann fragte er seinen Falkenmeister
augenzwinkernd: »Hat er denn endlich eine Frau, er soll mir nämlich
tüchtige junge Falkenierspagen machen. Am besten gleich dutzendweise.
Sag er mir, wenn er heiraten möchte, es soll ihm an nichts fehlen.«
»So eine schöne wie Louise findet sich nicht leicht«,
antwortete der Flame ernsthaft und liebkoste den Kopf des Vogels mit
einem Stäbchen aus Elfenbein.
»Ganz recht, die macht einem auch das Leben nicht so schwer
wie die Weiber ohne Federn.«
Der Markgraf lachte schallend über seinen eigenen Witz und
trat noch ein bisschen näher an seinen Falkner heran. Er grabschte nach
Kersmackers drittem Knopf von oben und drehte ihn zwischen den Fingern
hin und her, während der Blick aus seinen blauen Augen von seinem
Greifvogel zu seinem Falkenier und wieder zurück wanderte.
»Hat er eigentlich meine Briseis gekannt?«
Kersmackers war wieder einmal beeindruckt von dem Gedächtnis
des Markgrafen. Aber nein, die berühmte Briseis hatte er leider nicht
selbst erlebt.
»Meine Mutter, unsere herzensgute Regentin«, fuhr der Markgraf
fort, und seine Stimme wurde rau vor Rührung, wie immer, wenn er von
seiner Mutter sprach, »hat sie noch vor meiner großen Reise nach
Frankreich von dem für seine außerordentliche Geschicklichkeit
bekannten holländischen Fänger Mollen kaufen lassen. Eng wie ein Panzer
aus Schildpatt lag ihr Gefieder an, das allerdings nicht ganz so hell
und rein war wie das von Louise. Aber sie konnte sich auf Höhen
hinaufschrauben«, schwärmte der Markgraf und rollte verzückt die Augen,
»die wir hier noch nie gesehen hatten und von denen man dann bis nach
Dresden und Wien sprach.«
Als der Markgraf anfing, über seine Pläne für die Erweiterung
des Falknerkorps zu sprechen, schnalzte Kersmackers Knopf vom Faden und
sprang weit weg in ein Rinnsal
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