Falkenjagd
schaute ihn spöttisch an.
Charles tupfte sich die Stirn und ließ sich von Elisabeth Most
aus einer gekühlten Zinnkanne in einen Becher gießen. Die Erinnerungen
an den Besuch am französischen Hof erregten ihn, wann immer er daran
dachte. Obwohl schon fünf Jahre seit der großen Reise vergangen waren,
roch er noch deutlich das Gemisch aus Moschusparfüm und Schweinefett,
mit dem die Frisuren der französischen Damen und Kavaliere
zusammengehalten wurden. Und er schmeckte wieder den klebrigen Saft des
Granatapfels, den ihm die Herzogin von Penthièvre, Gemahlin des
französischen Admirals und Großjägermeisters, Stück für Stück in den
Mund gesteckt hatte. Ihr geschminktes Gesicht war mit hauchdünnen
blauen Äderchen überzogen gewesen und kam ihm vor wie ein von der Kälte
überraschter Kohlweißling. Ihm, dem damals sonnenverbrannten
sechzehnjährigen Prinzen aus der deutschen Provinz. Dabei hatte sie
zwei Finger über seine Zunge spielen lassen, so dass ihm in
Sekundenschnelle der Penis angeschwollen war. Und erst die vielen
Mohrenkinder, die über die Flure huschten und Billets und Schoßhunde
hier- und dorthin trugen und ungeniert in die Ecken pinkelten oder
schissen, das war doch wirklich köstlich gewesen! Er erzählte ihr alles
haargenau und freute sich, als sie am Ende lauthals auflachte.
Ihm fiel auf, dass ihr Haar, das in drahtigen
Korkenzieherlocken abstand und sich kaum unter die Haube binden ließ,
nicht blond, sondern falbfarben schimmerte. Genau wie Bathseba, das
Pferd, das ihm sein Vater zum zwölften Geburtstag geschenkt hatte. Den
Markgrafen, den es oft anwiderte, dass die Hofschranzen an seinen
Lippen hingen und ihn umschmeichelten, überkam ein seltenes
Glücksgefühl, so allein mit diesem hübschen Mädchen zusammenzusitzen
und sie mit seinen Geschichten zu unterhalten und zum Lachen zu bringen.
»Der König, der übrigens ein ungewöhnlich schöner Mann ist,
vergisst oft, nach dem Sprechen seinen Mund zuzumachen. Was kolossal
blöd aussieht, denn man muss ihm dauernd in den Rachen schauen.«
»Dass Könige so dämlich sein können, hätte ich nicht gedacht«,
wunderte sich Elisabeth.
Charles entging nicht, dass sie dabei den Schirm in den Kasten
gegenüber der Feuerstelle legte. Mit einer Handbewegung wies er seinen
Kammerjunker an, den Schirm wieder herauszuholen und dann das Haus zu
verlassen.
Schon am frühen Morgen hatte der Markgraf durch einen
berittenen Boten befehlen lassen, dass sich alle Erwachsenen, aber auch
Elisabeths kleine barfüßige Geschwister den ganzen Tag fernzuhalten
hatten. Charles schob den silbernen Ring, an dem die dünnen Stäbe des
Schirms zusammengeschmiedet waren, langsam den Stock hoch. Es handelte
sich um ein kunstfertiges Stück, das die französischen
Glaubensflüchtlinge in Heilsbronn gearbeitet hatten. Er hoffte, dass
man diese Erfindung bald in größerer Zahl in andere deutsche Länder
exportieren könnte. Die laschen Stofffalten sammelten und strafften
sich. Elisabeth schaute gebannt zu. Sie schluckte mehrmals trocken, so
dass Charles sah, wie sich ihr mit feinen Härchen bewachsener Kehlkopf
leicht nach außen wölbte und dann wieder nach innen senkte. Das erregte
ihn sehr. Mit einem letzten kräftigen Schub spannte er den Schirm ganz
auf und winkte sie näher zu sich, damit sie mit unter die eben
erschaffene Kuppel trat. Das Licht drang nur gedämpft durch den Stoff,
und die dunklen Balken und der Tisch der Stube schimmerten als vage
Schatten. Elisabeths Augen betrachteten staunend diesen seltsamen
Himmel, während der Markgraf mit seiner linken Hand ihr Mieder lockerte
und beide Brüste herausquellen ließ.
Als zweites Geschenk schickte Charles einen
ganz mit Marderpelz gefütterten vanillefarbenen Seidenrock nach
Lindenbühl. Elisabeth fingerte verzückt an den zarten
Blumenstickereien. Obwohl es Juli war und in der fettigen Luft
verklebte Hühnerfedern langsam zu Boden taumelten und wieder
hochwirbelten, schlüpfte Elisabeth sofort in den Rock hinein und drehte
sich im Kreis. Die Geschwister mit ihren verrotzten Nasen streckten
ihre klebrigen Hände nach der Kostbarkeit aus. Ihr Vater und ihr
ältester Bruder Andreas äugten blöd. Aber sie gaben ihr abends mehr
Gerstensuppe als sonst und am Tag darauf sogar fettes Kesselfleisch.
Sie ahnten, woher der Wind wehte, und hofften, dass sich damit Geld
machen ließ.
Elisabeth hatte bislang nicht darüber nachgedacht, ob es ein
anderes Leben für sie geben könnte als das der Tochter
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