Falkenjagd
Pferdepisse.
Den ganzen Winter über trug Kersmackers
Louise ab. Sie lernte schnell. Er hatte in dieser Zeit wenig mit den
anderen Falknern zu tun und in der Nacht nur selten Lust, Marie zu
besuchen, die die Bettwäsche drüben im Weißen Schloss verwaltete.
Morgens schlürfte er hastig eine warme Biersuppe, und abends, wenn er
bei Einbruch der Dunkelheit durchgefroren zurückkehrte und Louise auf
die Cage in ihrer Kammer gestellt hatte, trank er höchstens zusammen
mit seinem Freund, dem Reiherknecht Petitville, der ebenfalls aus den
spanischen Niederlanden stammte, ein wenig Branntwein und aß gesottenes
Fleisch mit Meerrettich.
Eines schönen Tages nahm er zum ersten Mal
das Federspiel, das aus einem hufeisenförmig genähten Lederbalg und
blau gefiederten Kranichflügeln gefertigt war, mit sich hinaus. Louises
gekrümmte Krallen schabten erstaunt auf dem Rücken seines
Lederhandschuhs. Sie hatte bislang ausreichend Nervenstärke bewiesen,
saß still, wenn er absichtlich Hunde oder Pferde in ihre Nähe schickte.
Jetzt musste sie zeigen, ob sie das Fieber in sich trug und
unerbittlich Beute machen konnte.
Wie fast immer suchten sie die freien, winteröden Wiesen
entlang des Flusses auf. Erst als weit und breit keine Bäume mehr zu
sehen waren, machte er halt und haubte Louise ab. Er schwang das
Federspiel an einer dünnen Schnur, bis die Luft surrte, und ließ es ins
Schilfrohr fliegen. Louises Augen folgten sofort. Er ließ sie steigen,
und mit knatterndem Flügelschlag wischte sie ein paar Fuß über dem
Boden zu ihrer ersten Beute. Kersmackers ließ sie kurz von der auf dem
Federspiel festgemachten Taubenbrust kröpfen. Dann holte er sie zurück
auf seine Hand. Ein paar Mal erwischte sie den Balg nicht, und dann
verwehrte er ihr die Atzung. Das merkte sie sich.
Nach dem Jahreswechsel 1731/32 schneite es
viel. Der gefrorene Schnee legte sich auf Triesdorf wie eine
schimmernde Decke, die bei Kersmackers Ausgängen knarzte. Louises
eigentliche Schönheit, so fand Kersmackers, entfaltete sich erst jetzt,
wenn sie perlenglänzend in dieser stillen, lichten Welt ihre Bahnen
zog. Auch der Himmel schien ohne Rand und Ende zu sein.
Er spürte, wie sich ihr Verhältnis veränderte. Mehr und mehr
würde er zu ihrem Begleiter, der nur noch die läppische Aufgabe hatte,
das von Mal zu Mal weniger interessante Federgestrüpp zu schleudern.
Dieses Gefühl wuchs und wurde zu einer Versuchung. Daraus konnte, das
wusste er, eine große Gefahr werden und die ganze lange mühevolle
Arbeit zum Scheitern bringen. Gerade jetzt durfte er sich nicht von
Louises Schönheit überwältigen und sie gar die Oberhand gewinnen
lassen. Er musste Dienst tun, stur wie ein Schreiber an seinem Pult.
Und Louise musste parieren wie ein Uhrwerk und ganz und gar sein
Geschöpf werden. Beide, so dachte sich Kersmackers, sind wir Untertanen
unseres Fürsten.
Um sich von Louise etwas abzulenken, bat er Marie zu einem
Stelldichein, und bereitwillig ließ sie ihn in ihre Kammer.
Die Tage wurden länger und heller, und warme
Lüftchen zogen über die Felder, als sie mit der Jagd auf Krähen
begannen. Schon im Spätherbst hatte Kersmackers dafür gesorgt, dass
genügend von ihnen gefangen wurden. Der Krähe, die er für die erste
Übung auswählte, ließ er mit ein paar Stichen die Augenlider zunähen.
Der scharfe Schnabel wurde verschlossen, indem ein Bindfaden
darumgewickelt, dann durch die beiden Nasenlöcher geführt und
schließlich fest verschnürt wurde. Die hinteren Klauen band er an die
Beine hoch. Louise durfte auf keinen Fall verletzt werden.
Das erste Mal machte er es ihr einfach. Er hielt die Krähe
fest und nur so weit entfernt, dass Louise drei-, viermal mit den
Flügeln schlagen musste, um sie zu erreichen. Geduldig ließ er sie
kröpfen. Beim zweiten Mal schob er ihr schnell eine schwarz gefärbte
Taubenbrust unter, denn er musste mit den Krähen haushalten. Immer wenn
Louise ihre Beute fing und ihren Schnabel hineinschlug, schrie
Kersmackers heiser und zornig wie eine Krähe, damit sie sich daran
gewöhnte und ihre Angst verlor. Tag für Tag vergrößerte er den Abstand
zur Krähe, zehn Schritt, zwölf Schritt, bis schließlich ein Knecht sie
nahm und fast bis auf dreißig Schritt hoch in die Luft fliegen ließ. Je
gieriger und schneller Louise die Krähen jagte, desto mehr Ansporn
brauchte sie. Ende Mai schaffte sie hundert Durchgänge ohne Pause.
Umgehend erstattete er Sekretär Göbel Bericht und schrieb auch, wie
sehnig und
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