Falkenjagd
kräftig sich Louises Flugmuskulatur ausgebildet hatte.
Ende Juni 1732 kam der Herzog von
Württemberg, ein enger Verwandter, mit großem Gefolge zu Besuch. In
Triesdorf und Gunzenhausen wurden ihm zu Ehren prächtige Beizjagden
veranstaltet. Man schlug violett gestreifte türkische Zelte auf, in
denen die Gäste speisten, Kaffee tranken und sich die Damen
zwischendurch die Zeit mit Ratespielen vertrieben.
Louise schlug an einem einzigen Nachmittag vier Reiher im
hohen Flug. Als Dank für seine Mühen bekam Jan Kersmackers vom
Markgrafen persönlich mit den überschwänglichsten Worten zwei goldene
Falkendukaten überreicht. Der Hofmaler Johann Baptist Zierl reiste mit
seiner Staffelei und Kästen voller Pulver zum Anrühren der Farben aus
Ansbach an, und obwohl ihm vom süßlichen Geruch des Taubenblutes, der
überall in der Luft hing, übel wurde, porträtierte er Louise mit reich
bestickter Steckhaube in den Farben Brandenburg-Ansbachs.
Auch die junge Markgräfin nahm zu Ehren des Württembergers an
der Beizjagd teil. Kersmackers sah sie schmal und gelangweilt inmitten
ihrer gackernden Hofdamen sitzen. Er konnte förmlich spüren, wie einsam
und unglücklich sie war. Plötzlich stand sie hinter ihm und sprach ihn
an.
»Er ist ein besonders tüchtiger Falkner, sagt der Markgraf.«
»Zu Diensten, Ihre Königliche Hoheit.«
»Er hat einen auffallend runden Kopf.«
Kersmackers erschrak. Was um Himmels willen störte sie an
seinem Kopf? Weil ihm keine andere Antwort einfiel, sagte er nur: »Ja,
Ihre Königliche Hoheit.«
»Hat den auch sein Vater gehabt oder seine Mutter?«
Kersmackers fing an zu schwitzen. Er merkte, wie man sie von
allen Seiten beobachtete. Ihr schien das egal zu sein. Er erhob sich
aus seiner Verbeugung, schaute sie scheu an und sagte dann leise: »Mein
Vater hat immer gesagt, in einem runden Kopf können sich die Gedanken
freier bewegen. Auch mein Großvater hatte schon einen solchen.«
»Das mag wahr sein, was er über das Denken sagt. Umso
trauriger, dass hier die meisten Menschen nur eckige Schädel haben. Ich
hoffe sehr, ihn bald wiederzusehen.«
Und vor den Augen der Hofgesellschaft schenkte die Markgräfin
dem einfachen flämischen Falknermeister ein solch bezauberndes Lächeln,
wie man es schon lange nicht mehr bei ihr gesehen hatte. Kersmackers
aber wurde den ganzen Tag nicht wieder recht froh. Ihm kam es so vor,
als hätte die junge Markgräfin viel Ähnlichkeit mit einem verwirrten,
schlecht gepflegten Falkenweibchen. Wie Louise, bevor sie zu mir kam,
dachte er und schaute seiner Herrin traurig nach, als am Abend ihr
bauschiger Seidenrock in einer Staatskarosse verschwand. Er kratzte
sich nachdenklich über seine rotblonden Bartstoppeln und fragte sich,
ob sie wohl verkümmern oder vielleicht doch irgendwann einmal so
herrlich fliegen und jagen würde wie jetzt Louise.
3
D as erste Geschenk, das Elisabeth vom
Markgrafen im Juni 1733 bekam, nachdem er sie ein paar Tage zuvor bei
Lindenbühl in eine Scheune gedrängt, gegen die Wand gelehnt und mit
hastigen Stößen entjungfert hatte, war ein Regenschirm.
Er selbst reichte ihr den Stock mit den schlackernden
malvenfarbenen Kattunfalten, während der Kammerjunker, der ihn als
Einziger in die niedere Stube begleitete, mit strengem Blick zwei
Schritte hinter ihm stand. Elisabeth nahm das Geschenk mit einem
nachsichtigen Lächeln entgegen. Sie sagte nichts außer einem artigen
Danke und ließ ihren Blick nur an dem silbernen Griff in Gestalt eines
Tieres verweilen.
»Solch einen krummen Karpfen haben sie bei uns auch einmal aus
dem Weiher geholt«, bemerkte sie nach einer Weile und nahm, den Schirm
mit steifen Armen in ziemlichem Abstand vor ihrer Brust haltend, auf
der Ofenbank Platz.
Der Markgraf ignorierte ihre Dreistigkeit, sich einfach zu
setzen, während er noch stand, und ließ sich selbst auf einen der
wackeligen Hocker plumpsen. Natürlich hätte er das Mädchen auch für ein
paar Stunden nach Gunzenhausen ins Oberamt oder ins Triesdorfer Schloss
bringen lassen können, aber selbst einen Fuß in die verrußte Hütte zu
setzen, sich auf die Sprache der Bauern einzulassen, übte auf ihn den
Reiz der Abwechslung aus.
»Solch ein Tier, es ist ein Delphin, hat sich König Louis für
das Schloss von Fontainebleau auf ein ganzes Service malen und eines
auch in Gold als Tafelaufsatz mit Augen aus Saphiren fertigen lassen.
Es lebt in seinen Meeren und soll überaus klug und freundlich sein.«
»Aha«, sagte Elisabeth und
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