Falkenjagd
Tote
einladen und mitnehmen. Da war eine gaffende Menge herangerückt und
hatte der Markgräfin laut und erbost gedroht. Widerwillig ließ sie von
der Toten ab. Die Leute rätselten, was die Markgräfin mit dem
ausgezehrten Leichnam vorgehabt hatte und reimten sich noch über Wochen
den schlimmsten Unsinn zusammen. Der Markgraf hatte entsetzlich getobt,
als er von der Sache hörte. Seitdem lief alles schlecht zwischen den
beiden Herrschaften. Der Markgraf besuchte seine Frau nachts nicht mehr
so oft, wie es sich für einen Jungverheirateten gehörte. Die Markgräfin
blieb dafür viel in ihrem Appartement und las ausländische Bücher, was
bekanntermaßen auch nicht gut fürs Kinderkriegen war. Man erfuhr, dass
der Markgraf, wenn er seiner Ehefrau begegnete, oft die Backen aufblies
und die Augen verdrehte und sie dann wichtig von gelehrten Dingen
sprach, die er nicht verstand. Letztlich aber war es Kersmackers egal,
was die Ansbacher Herrschaft veranstaltete, solange der Markgraf sein
Falkenhaus weiter so generös unterhielt.
Nach einer knappen Woche war Louise gesund.
Sie atmete gleichmäßig und ruhig. Ihre Brust hatte sich gerundet.
Kersmackers stülpte ihr eine schlichte Haube aus weichem Hundeleder
über, prellte ihren rechten Flügel auf, band ihr an jeden Fang eine
melodisch klingende Belle, ein Geschüh und dann die Langfessel an und
trug sie auf der linken Faust zur Altmühl hinunter. Er hatte dafür
gesorgt, dass keine anderen Falkner oder gar Hunde unterwegs waren.
Die Stelle, die er aufsuchte, war ideal. Der Fluss breitete
sich flach aus, durch die Weiden, die in den letzten Tagen schon viel
von ihren Blättern verloren hatten, tropfte das Licht in großen Lachen
auf das Wasser. Kein Haus, keine Scheune störte weit und breit. Auch
Bauern ließen sich nicht sehen, denn die zähen Gräser der morastigen
Uferwiesen taugten nicht mal zu Einstreu. Kersmackers sog den bitteren
Geruch des Herbstes ein. Er roch ein nicht allzu fernes Feuer, bei dem
feuchtes Holz verbrannt wurde. Das würzte die gesalzene Wurst, die er
kaute und in den Backentaschen hin und her schob. Er dankte Gott für
solche Tage, wenn es im Himmel und in den Bäumen kräftig rauschte und
er allein mit sich und seinem Vogel war.
Mit dem kleinen, in einem Schulterbeutel mitgetragenen Beil
spaltete er sich einen Pfahl, den er gut einen Meter vom Ufer entfernt
in den Fluss rammte. Daran band er die Langfessel fest und nahm Louise
die Haube ab.
Kersmackers setzte sich ans Ufer und beobachtete, wie der
Vogel nach nur kurzer Zeit wachsamen Äugens ins Wasser sprang und den
linken Flügel genussvoll spreizte, sich reckte, blähte und wieder
duckte, dass die Tropfen flogen. Schließlich beugte sich der
Falkenmeister vor und füllte seinen Mund mit dem brackig schmeckenden
Wasser. Dann nahm er Louise auf die Hand und bespritzte sie schnell mit
einer dünnen Fontäne, die auch ihren Kopf benetzte. Gleichzeitig
fischte er mit der rechten Hand den präparierten Taubenflügel aus der
Umhängetasche und begann mit dem zärtlichsten Teil seines Handwerks.
Sacht strich er Louises Körper ab. Immer wieder führte er den Flügel
die elegante Biegung ihres Halses entlang, glitt zur Schwanzspitze,
liebkoste die Brust. Noch nie hatte Kersmackers für eine Frau so viel
Phantasie und Zeit aufgebracht wie für Louise bei diesem langsamen
Liebesspiel am Fluss.
Wichtig dabei war, dass Kersmackers einen entscheidenden
Zeitpunkt ihres gemeinsamen Vergnügens streng im Auge behielt. Sobald
Louise nämlich annähernd trocken war, bestand die Gefahr, dass sie
ihres Liebhabers überdrüssig wurde und aufsprang. Also musste er ihr
zuvorkommen und sie rechtzeitig wieder nass machen, damit sie in neuer
Erwartung bei ihm blieb. Irgendwann fing er an, ihr während des Reibens
die Haube auf- und abzustreifen. Auch dieses Spiel trieben sie
unzählige Male.
Dann schlug das Wetter um. Wenn sie frühmorgens losgingen,
stand oft zäher, kalter Nebel über der Altmühl, die langen harten
Stängel des Sumpfgrases legten sich welk um und begannen, zu braunem
Glitsch zu vermodern. Danach fing der Regen an. Kersmackers entschied,
dass es an der Zeit war, Louises Federn zu richten. Schließlich sollte
sie schön sein, wenn die Markgräfin sie zum ersten Mal sah. Er ließ
sich einen Korb besonders feiner, kleiner Karotten aus der Ansbacher
Hofküche schicken. Die wurden in einem Tiegel angebraten und heiß, wie
sie waren, vom Falkeniersknecht akkurat der Länge nach halbiert.
Kersmackers
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