Falkenjagd
versprach der Ansbacher, der inzwischen in die taumelnde
Stimmung eines Kindes am Abend seines Geburtstagsfests gekommen war,
»damit du noch mehr Kredite vergeben kannst, Ischerlein.«
Sie tranken noch vier Flaschen Bullenheimer miteinander, aßen
frisches Wildbret und lachten viel. Ischerlein war es egal, dass das
Essen nicht koscher war. Stattdessen schob er voller Vorfreude das
Begleitschreiben, das ihm sein Fürst zum Abschied schenkte, in den
Ärmel. Die Kutsche fuhr ihn direkt vor die Tür der Babette Fuchs. Und
der Brief mit dem markgräflichen Siegel brachte ihn in den Genuss ihrer
außergewöhnlichen Dienste, die sie Beschnittenen sonst kategorisch
verweigerte.
Charles wiederum beschloss, diesen guten Tag im Schlafzimmer
seiner Frau zu beenden. Das wird auch meinem Hofprediger gefallen,
dachte er, als er an ihre Tür klopfte. Nach einer Viertelstunde
launiger Konversation bat er Friederike, ihre Damen zu verabschieden.
Er trat hinter den Paravent und zog sich aus. Sie hatten sich in den
sieben Jahren ihrer Ehe kaum einmal nackt gesehen. Was nicht an
Friederike, sondern an Charles lag. Sie fragte sich manchmal, ob er
sich bei seinem Frauenzimmer in Georgenthal auch so schamhaft anstellte.
Friederike war zwölf gewesen, als sie ihr
Ohr an die Kammertür ihrer Gouvernante gedrückt hatte, um ihre kleinen
heiseren Schreie zu hören, die immer dann ertönten, wenn das Fräulein
von Montbail einen jungen Mann aus der Offiziersgarde oder der Reihe
der Marstallknechte bei sich zu Besuch hatte. Ein paar Tage vor ihrer
Hochzeit steckte ihr auf Anordnung der Mutter eine Hofdame ein tableau
d'amour zu, das sie seitdem am Boden
ihrer Briefschatulle aufbewahrte, aber leider nicht benutzte.
Sie erinnerte sich noch gut an die zweite oder dritte Nacht
nach ihrer Entjungferung. Charles kam ziemlich angetrunken aus dem
Tabakskollegium ihres Vaters zu ihr ins Bett geschlüpft. Das Büchlein
wartete mit ihr zusammen unter der Bettdecke.
»Charles, lassen Sie uns das heute ausprobieren, ja«, hatte
sie ihm zugeflüstert und das Kerzenlicht über eine Seite wandern
lassen, wo ein entblößter Kavalier seine auf ihm sitzende Dame zu
augenscheinlich größten Wonnen galoppieren ließ. Sie konnte gar nicht
mehr umblättern zu der Seite, wo ein anderes Paar stehend kopulierte,
was ihr auch gut gefallen hätte, sondern gerade noch die Kerze
ausblasen, damit die Kissen nicht Feuer fingen, denn ihr frisch
angetrauter Gemahl schleuderte das kleine Buch wutentbrannt quer durch
den Raum an die Wand, schimpfte sie eine Dirne und drohte, ihrem Vater
von dem ›dreckigen Franzosengeschlamp‹ zu erzählen.
So machte Friederike in den bisherigen Jahren ihrer Ehe
weiterhin das, was sie auch schon in ihrer Hochzeitsnacht gemacht
hatte. Sie winkelte ihre Knie an, während Charles kurz in sie eindrang
und sich dann schwer atmend zur Seite rollte.
Auch in dieser Nacht brachten sie die Sache schnell hinter
sich, ohne dass Friederike auch nur einen einzigen kleinen Schrei
ausstieß. Sie lauschte noch eine Weile dem Sommerregen, der sanft gegen
die Scheiben schlug, und hörte irgendwo weit weg ihren jüngsten Sohn
weinen, der gerade zu zahnen begann.
Charles verbrachte die ganze Nacht bei der
Markgräfin, und als am Morgen die Kammerjungfer mit der gewürzten Brühe
kam, saßen sie beide recht zufrieden nebeneinander im Bett und
schlürften die Tassen leer. In diesem Moment mochte Charles seine Frau
sogar. Zumindest dehnte sich seine Dankbarkeit, dass sie ihm zwei
gesunde Söhne geboren hatte, zu einem größeren Gefühl aus, das sich zu
ihnen in die nachtwarmen Kissen gesellte. Friederike wiederum hielt
ihre Zunge im Zaum und gab sich Mühe, ihn nicht zu reizen. Weil solche
Augenblicke, wie sie beide wussten, selten waren, erzählte er ihr
schnell von seiner Idee, das ganze Markgrafentum kartographieren zu
lassen.
»Eine tolle Idee!«
Sie klatschte in die Hände. Ein wenig langsam und herablassend
vielleicht, aber immerhin. Er errötete und schwadronierte mit
Feuereifer weiter.
»Ich werde die Karten vervielfältigen und binden lassen und
sie an alle Bibliotheken im deutschen Reich schicken.«
»Aber nach London doch auch.«
Er überhörte ihren Spott und überlegte, ob er nicht gleich
auch die Grafschaft Sayn-Altenstein im Westerwald vermessen lassen
sollte, die er über kurz oder lang von seiner Großmutter
väterlicherseits erben würde.
Als sie sein Geschwätz nicht länger ertrug, stand Friederike
auf, öffnete die Fensterläden
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