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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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Meiereien
schaute man mit stirnrunzelndem Ernst zu, wie die Milch in einem
spitzen Strahl aus dem Euter gestrichen wurde, und trank ergriffen. Die
Höflinge veranstalteten Picknicks und streckten sich auf schattigen
Lichtungen aus, wo sie sich gegenseitig mit Ratespielen traktierten,
die allesamt darauf hinausliefen, den Namen desjenigen zu
entschlüsseln, der gerade in diese oder jene Person verliebt war.
Mitunter schlenderten sie nach dem Frühstück einfach nur zu den Gehegen
der Löwen, Geparden, Affen und Bären und steckten ihnen Leckerbissen
durch die Gitterstäbe zu. Die Damen, auch Friederike, trugen keine
großen, sondern kleine Reifröcke unter ihren Kleidern, an deren Saum
sich Käfer und Blütenstaub sammelten. In bestickten Pantoffeln
verließen sie die geharkten Wege und liefen mitten durchs Gras. Sie
schnitten eigenhändig Rosen von den Büschen, nahmen den nachsichtig
lächelnden Gärtnern die Gießkannen weg und spritzten unter nicht enden
wollendem Gekicher Wasser in die Luft. Außerdem probten sie für eine
Aufführung, die wie immer am Ende des Sommers im Naturtheater
stattfinden sollte.
    An einem Nachmittag Anfang Juli, als man mit
einem Anflug von Traurigkeit feststellte, dass die Blätter jetzt nicht
mehr grüner und üppiger werden konnten, rollte Caroline von Crailsheim,
die tatsächlich, seit sie vor einem Dreivierteljahr an den Hof gekommen
war, mit ihrem schnellen Witz Karriere machte und auch die Markgräfin
immer wieder zum Lachen brachte, einen ihrer lachsfarbenen seidenen
Strümpfe herab. Sie zog ihn so schalkhaft aus, dass ihr weißer Fuß für
einen Moment wie ein lichtscheues, urzeitliches Schalentier unter ihrem
Rock hervorkroch. Dann band sie den noch wadenwarmen Strumpf dem
Favoriten des Markgrafen, Herrn von Reitzenstein, über die Augen.
    Sie spielten Blindekuh, bis es plötzlich zu regnen begann und
die ganze Gesellschaft kreischend ins Schloss rannte, aufgedreht und
überhitzt von den zufälligen, aber viel versprechenden Berührungen
eines sehnigen Nackens oder einer runden Hüfte.
    »Wie einfallsreich sie doch immer ist, die kleine Crailsheim«,
bemerkte die Baronin von Diepenbrock, als sie mit der Markgräfin die
Treppen hinaufstieg, »sie will damit natürlich kaschieren, dass ihre
Nase zu lang ist.«
    Friederike blieb stehen und schaute ihrer Oberhofmeisterin so
unvermittelt ins Gesicht, dass diese gleich wusste, dass sie einen
Fehler gemacht hatte. Aber die Markgräfin setzte noch eins drauf.
    »Fräulein von Crailsheim versteckt nur eins, nämlich ihren
scharfen Verstand. An dem würden sich diese Bauernlümmel ihre
einfältigen Schädel aufschneiden, und der Markgraf käme mit der
Peuplierung gar nicht mehr hinterher.«
    Sprach es und ließ die Oberhofmeisterin blamiert stehen. Für
die Markgräfin war das Fräulein von Crailsheim inzwischen fast so etwas
wie eine Freundin geworden. Eine jedenfalls, die sich deutlich von den
Landpomeranzen am Ansbacher Hof unterschied, die nur sticken und in der
Gemäldegalerie auf und ab trippeln konnten. Caroline hatte zwar keinen
blassen Schimmer von den wissenschaftlichen Dingen, die Friederike
durch den Kopf gingen, aber sie spitzte ihre Ohren, schaute und
verglich, ohne sich selbst zu ernst zu nehmen. Eigenschaften, die
Friederike gefielen. Außerdem fand sie heraus, dass das Mädchen
wunderbar vorlesen konnte. Ihre dunkle Stimme brachte die Platanen von
Fontainebleau zum Rauschen und ließ die roten Segel der Phönizier im
Wind des Mittelmeers knattern.
    Als eine Woche nach dem Blindekuh-Spiel das bestickte
Strumpfband des Fräuleins von Crailsheim durchnässt unter einem
Holunderstrauch im rückwärtigen Garten gefunden wurde und alle sich
fragten, wie es dorthin gelangt war, log die Markgräfin. Sie sagte, sie
selbst habe es ihrem Spaniel zum Spielen gegeben. Nur so konnte sie die
Gehässigkeiten und Intrigen gegen ihre neue Freundin stoppen.
    Der Markgraf, der kaum Schlaf brauchte, ließ
jeden Tag im Morgengrauen seine Herren aus den Betten holen, damit sie
mit ihm auf die Jagd gingen. Erst als es zwei Tage hintereinander ohne
Unterlass regnete, fiel ihm wieder der Jude ein, und er bestellte ihn
zu sich. Zum Glück legte Ischerlein bereits im Vorzimmer seine
Bescheidenheit wie einen für die Jahreszeit zu warmen Pelzmantel ab. So
kamen sie schnell zur Sache, was auch der Grund dafür war, warum sie
sich in den vergangenen Jahren so nahe gekommen waren, wie es für einen
Fürsten und seinen Juden überhaupt möglich

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