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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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den Kopf ging, dass es Gottes Wille gewesen war, der ihn zum
Herrscher über Leib und Leben seiner hundertfünfzigtausend Untertanen
gemacht hatte. Einerseits wünschte er sich, dass sie ihn liebten, dass
sie ihre Kinder aus ihren Hütten heraus an den Straßenrand schoben und
jubelten, wenn er vorbeiritt, andererseits verlor er immer wieder die
Geduld mit ihnen. Weil sie träge waren und nicht verstanden, was er
wollte. Weil sie sich vor Hexen und dem bösen Blick mehr fürchteten als
vor seinen Befehlen und Strafen. Das fing schon mit den verflogenen
Falken an, die auf ausdrückliche markgräfliche Order unverzüglich zu
melden, zu fangen und dann im Dunkeln zu halten waren, bis man sie
abholte. Aber die Hundsfotte scherten sich meist nicht darum. Tauben
drehte man einfach den Hals um und warf sie in den Kochtopf, obwohl sie
doch dringend zur Atzung seiner Beizvögel gebraucht wurden.
    Charles spuckte aus. Der Salzgeschmack aber blieb. Seine
Gedanken jagten wieder kreuz und quer und überholten ihn beim Reiten.
Er wollte ein modernes Land. Am liebsten gleich jetzt und heute. Warten
war ihm ein Gräuel. Besonders langweilte es ihn, wenn ihm seine
Geheimräte mit steinernen Gesichtern und schmalen Lippen lange Dossiers
vortrugen, anstatt sich um die Anschaffung dieser neuen
Feuerlöschmaschinen zu sorgen. Oder die Porzellanmanufaktur, auch die
kümmerte vor sich hin. War er etwa wieder zu lange bei Elisabeth
geblieben? Gönnte man ihm denn gar nichts?
    Längst ahnte er, dass man während seiner Abwesenheit gegen ihn
arbeitete, sämtliche Unternehmungen zum Stillstand brachte oder sogar
vereitelte. Nach außen tat der Schwiegervater generös, aber
wahrscheinlich war alles ein abgekartetes Spiel. Ansbach sollte
ruiniert und dann eingesackt werden. Er hatte auch seiner Frau von
Anfang an nicht getraut. Sie paktierte hinter seinem Rücken mit den
Preußen und wahrscheinlich auch mit den Bayreuthern. Gottlob hatte sie
ihm wenigstens zwei gesunde Söhne geboren.
    Sein Pferd wieherte, Lakaien und Knechte rannten dem
Markgrafen entgegen, Trompeten verkündeten seine Ankunft. Mit dem
Vorsatz, gleich morgen Ischerlein nach Triesdorf kommen zu lassen,
sprang Charles vom Pferd. Sein Falkenweibchen blieb unbeirrt auf seiner
linken Faust stehen.
    Der Kies spritzte zur Seite, als der
Markgraf dorthin ging, wo er zu dieser Stunde die Markgräfin vermutete.
Schon von Weitem sah er die hellen Kleider und Perücken wie müde Falter
in der Dämmerung taumeln. Friederike saß mit ihren Hofdamen und dem
Erbprinzen in der venezianischen Gondel auf dem Kirchweiher. Der
Erbprinz Carl Friedrich August, der vor Kurzem seinen dritten
Geburtstag gefeiert und sein erstes Regiment Zinnsoldaten in der
Uniform der Ansbacher Ulanen bekommen hatte, verbeugte sich
erschrocken, als er den Vater sah, und brachte das kleine Boot ins
Wanken.
    Der Markgraf reichte Friederike galant seine freie Hand zum
Aussteigen und hob dann seinen Sohn heraus. Der Kleine, um dessen
rundes, blasses Gesicht sich dünne blonde Strähnen kringelten, stand
stumm und ein wenig ängstlich da und ließ den Greifvogel, der nervös
auf dem Handschuh des Vaters kratzte, nicht aus den Augen.
    Elisabeths Sohn sieht viel gesünder aus als dieser, dachte
Charles, während er fröhlich fragte: »Wollen wir Calisto zu Bett
bringen?«
    Der Kleine nickte und ergriff die Hand seines Vaters.
    »Sie wollen doch um Himmels willen das Kind nicht in die
stinkenden Vogelkammern lassen«, rief ihm Friederike entsetzt nach.
Charles hob beschwichtigend die Arme.
    »Madame, Ihr Sohn wird ein Falknerkorps erben, das größer ist
als das des Kaisers, er sollte also rechtzeitig damit vertraut werden.«
    Dann ging er, ohne die Markgräfin und ihre Damen weiter zu
beachten, mit dem Kind und dem Falken in den von Grillengezirpe
erfüllten Abend hinein.
    An einzelne Tage konnte sich später keiner
mehr erinnern. Sie verliefen ineinander wie die Farben des aufgetürmten
Wolkenspektakels an der Decke des Ansbacher Festsaals. Es schien immer
dieselbe Sonne, und ein unbekümmerter, nach Gras duftender Wind nahm
sie geradewegs vom Juni in den Juli mit. Sie stiegen in Kutschen ein
und aus Kutschen aus, ließen Spitzenschals im Fahrtwind flattern und
kreischten wie toll, wenn ein Ast ihre Perücken streifte. Expeditionen
zu Einsiedeleien wurden unternommen, wo allerdings schon lange kein
frommer Mensch mehr lebte und sich auf Teufel komm heraus auch kein
neuer fand, der den Ort hätte malerisch beleben können. In

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