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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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das bedauere ich zutiefst.«
    Er erlaubte seiner Stimme sogar einen Anflug von Wärme.
Schließlich war er an der Familie interessiert. Wahrscheinlich hätte er
sogar behauptet, er liebe seine Geschwister und die Mutter. So wie er
den Vater gehasst hatte und überglücklich gewesen war, als dieser
endlich starb. Das Gedeihen und die Begabungen der Neffen, die
Fruchtbarkeit der Schwestern freuten ihn. Wobei er als
selbstverständlich annahm, dass sie stets und zuallererst den Ruhm
Preußens vor Augen hatten. Mit den Schwestern war er in der Regel sogar
geduldiger und nachsichtiger. Der König ließ sich unablässig über sie
informieren. Er feierte jeden Geburtstag seiner neun Geschwister am
Berliner Hof oder auch im Feldlager und ließ sich dabei deren
jeweiliges Lieblingsgericht auftischen.
    Auch Friederike kannte Friedrichs komisches
Verlangen, sich trotz allem immer wieder mit den Geschwistern zu
verbünden. Nur so hatten sie als Kinder den Ehrgeiz der Mutter und die
Prügel des Vaters überstanden. Als er ungefähr dreizehn gewesen war,
hatte Friedrich sein Taschentuch auf eine blutende Wunde an ihrer Wange
gedrückt und sie aus dem Zimmer gezerrt, damit der Vater sie nicht noch
schlimmer zurichtete. Auch deshalb lächelte sie ihm jetzt freundlich zu
und verzieh dem königlichen Bruder seine Ignoranz gegenüber den
chinesischen Maskenschweinen.
    Da war er also, im September 1743, und
besuchte sie für vier Tage in Ansbach. Er, der mit seinem
Raubtiersprung auf Schlesien die europäischen Kabinette und deren Pläne
durcheinandergeschüttelt hatte wie frisch gepalte Erbsen in einer
Schüssel. Kaum lag Kaiser Karl VI. in seinem Zinksarg, marschierte
Friedrich an der Spitze von zwanzigtausend Mann im Erbe Maria Theresias
ein. Sein Instinkt, so ließ er die Schwester damals über seinen
Gesandten in Ansbach wissen, prophezeite ihm Glück. Der Widerstand war
zuerst fast beleidigend gering. Als die preußischen Truppen die
Winterquartiere bezogen, waren nur noch Glogau, Neiße und Brieg in
österreichischer Hand. Dann kam Mollwitz und die Schlacht gegen die
Truppen unter Neipperg. Ein gleißend schöner Apriltag war es gewesen,
schrieb er später allen Geschwistern. Die Sonne ging rosarot auf wie
eine kandierte Kirsche und träufelte die unwirklichsten Farben auf das
Schlachtfeld.
    Ob der junge König in diesem Frühling wirklich gesiegt hatte,
darüber debattierte halb Europa noch immer. Über viereinhalbtausend
Tote und Verwundete, so bilanzierte er, aber seine Armee hatte sich auf
dem Schlachtfeld und danach in der ganzen Provinz behauptet. Maria
Theresia unterschrieb notgedrungen den Vertrag von Breslau. Das
fruchtbare Schlesien mit einer Million neuen Untertanen gehörte vorerst
Friedrich. Sie, die Markgräfin in ihrem Ansbacher Loch, war Schlag auf
Schlag die Schwester eines waghalsigen Eroberers mit Fortune geworden.
Weil das Wort gerade so schick wurde, nannten manche ihn sogar ein
›Genie‹. Dementsprechend schleimten sich die Hofschranzen neuerdings
bei seiner Schwester ein. Allerdings waren sie auch der Meinung, dass
Friederike weniger Fortune mit nach Ansbach gebracht hatte.
    Die kunstvolle Balance der europäischen Mächte kippte.
Schnipp-schnapp hatte der Emporkömmling gemacht, und die Kabinette in
Frankreich und England mussten Nachtsitzungen einlegen. Jetzt wollten
alle ein Stück vom Erbe der Habsburgerin haben. Spanien, Bayern,
Frankreich und Sachsen erklärten Österreich den Krieg. England witterte
wiederum eine Chance, die französischen Besitzungen in Amerika
einzuheimsen. So viel Unruhe passte Friedrich dann auch wieder nicht.
Er wollte Österreich schließlich nur zurechtstutzen und Preußen mit den
Habsburgern auf Augenhöhe bringen. Aus dem Raubtier wurde in den
nächsten Monaten eine Katze, die unruhig auf und ab strich. Schlesien
im Handstreich zu nehmen war eine Sache, eine andere, sich zu
entschließen, bei welchem Bündnis man mitmachen, welchen Geheimvertrag
man unterschreiben und dann gleich wieder brechen sollte.
    Sie aßen gerade Zitroneneis, das in
Zinnformen zu Kronen gegossen worden war und unter Beifall aufgeklappt
wurde, als der Ansbacher Markgraf seinen Sessel so heftig zurückschob,
dass das Scharren die Musik übertönte. Erschrocken war ihm sein Page
beim Aufstehen behilflich. Charles stürzte zur Tür. Seine Rockschöße
blähten sich, sein Gesicht stand in Flammen, er stöhnte auf. Der Besuch
des königlichen Schwagers setzte seinen Gedärmen heftig zu. Kurz bevor
er

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