Falkenjagd
Mein Gott, was war er glücklich
gewesen, als Louis einwilligte, mit nach Ansbach zu reisen. Das machte
alles ein wenig erhabener. Auf der Reise lasen sie sich gegenseitig die
jüngsten Briefe Voltaires vor. Dabei hatte der aus Pau – der
heiteren Stadt Heinrichs IV. – stammende junge Chevalier, in
dessen hellbraunen Augen grüne Lichter tanzten, den König mit einer
Vertrautheit angeschaut, die Friedrich mit Schlaflosigkeit bezahlen
musste.
Friederike genoss jede Sekunde dieses
kleinen Schauspiels. Nicht dass sie Caroline auf den französischen
Offizier im Gefolge ihres Bruders gehetzt hätte, aber es gefiel ihr,
wie der hübsche kleine Busen und unverschämte Humor ihrer Freundin den
jungen Herrn aus Frankreich in den Bann zog. Friedrich kämpfte um
Fassung, was aber nur sie, die ihn als weinenden Jungen erlebt hatte,
erkennen konnte. Sie nahm das als kleine Revanche für die chinesischen
Maskenschweine.
»Würden Sie mir Asyl geben, wenn ich nach Preußen
zurückwollte?«, fragte sie mit dem Übermut, mit dem Kinder einen Stein
auf einen gefrorenen Teich schmettern, um auszuprobieren, ob das Eis
bricht. Sie bemühte sich, nicht mit den Lidern zu zucken, sondern
seinem Blick so lange standzuhalten, bis er den seinen senkte.
»Ich dachte, Ihre Ehe wäre jetzt in ruhigere Gewässer
gekommen?«
»Sie sagen doch selbst, dass er ein Idiot ist.«
»Genau diesen Umstand sollten Sie für Preußen nutzen! Sie sind
hier wertvoller als in Berlin. Deshalb sollten Sie sich nicht dauernd
in Schwaningen vergraben, sondern hier in der Residenz Augen und Ohren
offen halten und unsere Sache unterstützen.«
Als Antwort schnitt Friederike eine Grimasse.
»Ich schreibe Ihnen doch schon brav alles, wovon ich glaube,
dass es für Sie von Interesse ist.«
»Sie wissen, warum ich nach Ansbach gekommen bin?«
»Um Ihre Schwester wieder einmal in die Arme zu schließen
natürlich.«
Friedrich tat sich schwer mit Ihrem Spott und musste husten.
Sie ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Ich weiß genau, was Sie vom Markgrafen wollen. Ihr Gesandter
hier wird immer geschwätziger. Passen Sie auf ihn auf, das muss ich
Ihnen jetzt schon sagen. Aber Charles«, flüsterte sie und machte mit
Absicht eine Pause, um noch etwas von dem Eis zu löffeln.
»Ja, was?«
»Seine Mätresse bekommt jeden Moment das zweite Kind von ihm,
das bringt den Armen ganz durcheinander. Dass er sich da auf Ihre
Wünsche konzentrieren kann oder überhaupt will, bezweifle ich wirklich.«
Der König vergaß jetzt sogar Villepin und dessen Augenbrauen,
von denen er manchmal träumte, er würde sie mit seiner Zungenspitze
glatt bürsten. Er starrte seine Schwester beunruhigt an.
»Er ist ja noch blöder, als ich dachte.«
»Sie soll eine gute Frau sein. Manche Männer wissen das zu
schätzen.«
Auch mit dieser Bemerkung wollte sie den Bruder treffen, der
seiner eigenen Frau die gleiche Aufmerksamkeit schenkte wie einer
Kommode.
Dann sprachen sie nichts mehr, denn die Tafel wurde aufgehoben
und der Ball eröffnet. Der Markgraf verschwand endgültig und stöhnte
und krümmte sich bis in die frühen Morgenstunden auf seinem Leibstuhl.
Der preußische König tanzte das erste Menuett mit der Markgräfin. Für
den Rest der Nacht verkroch er sich in sich selbst. Friederike hielt
pflichtbewusst neben ihm die Stellung. Sie hätte ihm gern zum Trost die
Hand getätschelt, aber sie wusste, dass er das nicht wollte. So saßen
Schwester und Bruder schweigsam nebeneinander in ihren goldgefassten
Sesseln, während die Menge unter ihnen schnatterte und tanzte. Vor
allem entging ihnen nicht, dass Caroline von Crailsheim und Louis de
Villepin alles aufboten, damit das Strohfeuer zwischen ihnen hell und
hoch loderte.
Am nächsten Morgen hatte Friederike den
Eindruck, dass die Wangenknochen ihres Bruders noch spitzer waren als
sonst und seine Wangen fast durchbohrten. Sie konnte sich mit einem Mal
gut vorstellen, wie er als alter Mann aussehen würde. Nach einem
knappen Gruß verzog er sich wieder in sein Appartement und bat Villepin
zu sich. Er sah sofort, dass der junge Mann die vergangene Nacht nicht
mit Schlafen verbracht hatte. Mit der Drolligkeit eines kleinen Buben
gähnte der junge Franzose immer dann, wenn er glaubte, der König würde
nicht hinsehen. Friedrich quälte ihn und sich mit langen Monologen über
klassisches Versmaß. Nur so konnte er seine Enttäuschung und auch seine
Sehnsucht einigermaßen kontrollieren. Warum war diesem Weibsbild mit
den liederlich
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