Falkenjagd
gepuderten roten Haaren eine Zuwendung vergönnt, die er
sich selbst zähneknirschend verbot? Nach einer Stunde hielt er es nicht
länger in Louis' Gegenwart aus. Er ließ schriftlich beim Markgrafen
anfragen, ob man sofort und nicht erst wie geplant um fünf Uhr die
Ansbacher Soldaten besichtigen könne?
Charles lag aufgewühlt in seinem Bett. Er
fluchte, als man ihm die soeben eingetroffene Nachricht vorlas, warf
gleich noch ein Kopfkissen nach dem Sekretär und bohrte dann wieder
sein Gesicht in die Matratze. Er dachte ununterbrochen an Elisabeth.
Eine Eilstafette hatte gemeldet, dass die Frau Wünschin überraschend
Blutungen hätte, aber keine Wehen. Die Hebamme und der eiligst von
Ansbach angereiste Doktor Treu waren ratlos. Elisabeth bat ihn, um ihr
Seelenheil zu beten. Was der Markgraf von Ansbach seitdem
ununterbrochen tat. Auch in den Momenten, in denen ihn der Durchfall
schüttelte. Erinnerungen an ihre erste Niederkunft beschäftigten ihn.
Er fühlte sich schlecht, ja sogar niederträchtig, weil er damals, als
sie seinen Fritz zur Welt gebracht hatte, drei Tage auf die Jagd
geritten war. Als dann die Nachricht kam, war er in erster Linie stolz,
dass er schon wieder einen Sohn gezeugt hatte. Erst zwei Tage später
kam er auf die Idee, Elisabeth bei Ischerlein eine schöne Perlenkette
zu bestellen. Und dann die Geschichte mit der Zierleinstochter, dieser
verhurten Schlampe. Hoffentlich hatte Elisabeth nie davon erfahren. Er
fühlte Gottes Zorn auf sich. Vielleicht wollte er ihn strafen. Das Kind
war ihm egal, auch wenn es wieder ein Sohn sein sollte. Hauptsache, sie
überlebte. Ohne sie, diese Angst kauerte zähnefletschend neben ihm,
würde er keinen Augenblick mehr Ruhe finden. Nein, er wollte nicht aus
seinem Bett und hinaus in diesen furchtbaren Tag treten, zu diesem
bitterbösen, gottlosen König! Der Markgraf weinte bitterlich.
Heistermann in seiner Sänfte und
Reitzenstein zu Fuß trafen fast gleichzeitig ein. Charles war
inzwischen immerhin aus dem Bett geklettert, trug aber noch sein weißes
Nachthemd und kniete auf dem Boden. Er wippte leicht hin und her, biss
sich in die Fingerknöchel und murmelte unablässig Gebete. Sein Gesicht
war verquollen.
Er sagte ihnen nur einen Satz: »Ich scheiß auf diesen König.«
Nur mit Mühe konnten sie ihm einen schweren Silberleuchter aus
der Hand reißen, den er durch das Fenster schleudern wollte. Sowohl
Reitzenstein als auch der Zwerg im pflaumenfarbenen Seidenrock, den er
sich zum königlichen Besuch in Paris bestellt hatte, begriffen, dass
das Markgrafentum in größter Gefahr war. Auch ihr eigener Hintern
brannte schon.
»Bitten Sie Seckendorff, schnell zu kommen«, flüsterte
Heistermann. Und das, obwohl ihm der Geheime Ratspräsident eigentlich
suspekt war, denn Seckendorff gehörte zu den wenigen am Hof, die nicht
schon zum Frühstück ein Gerücht in ihrer Kaffeetasse umrührten.
Eine halbe Stunde später stand Charles mit
Rouge auf den bleichen Wangen und einer halben Flasche Branntwein in
den Adern neben dem König. Dieser hatte auch noch darauf bestanden, die
Loge mit Blick auf die Reitbahn zu verlassen und sich wie ein einfacher
Mann auf die Straße zu stellen. Ein kalter, feuchter Wind aus dem Osten
strich um das Schloss. Was, so hoffte Ratspräsident Seckendorff, seinem
Markgrafen helfen würde, auf den Beinen zu bleiben. Seckendorff hatte
auch die geniale Idee gehabt, den Erbprinzen dazuzuholen. Er hatte
sofort bemerkt, dass der König diesen siebeneinhalbjährigen Neffen
mochte.
Zuerst ritt die Garde vorbei. Charles hörte das Prasseln der
Hufe auf dem Pflaster. Mit dem Sehen tat er sich schwer, das meiste
verschwamm vor seinen Augen. Der Schwager lobte immerhin die Pferde.
Dann marschierten die Husaren. Der Markgraf hoffte, dass ihre
dunkelgrünen Uniformjacken fleckenlos waren und die Federbüsche gerade
auf den Hauben steckten. Dass sie nicht im Gleichschritt gingen, bekam
er trotz seines Rausches mit. Aber der Schwager sagte nichts.
Pferdeäpfel dampften. Der Geruch tat Charles gut. Dann geriet die
Truppenschau ins Stocken. Rufe gellten vom Schloss her, Seckendorff
verwickelte den König in ein Gespräch, Charles überlegte, wo er sich
festhalten könnte. Reitzenstein spürte es und trat neben ihn. Endlich
stolperte der Fähnrich des Infanterieregimentes heran. An seinem roten
Revers fehlten zwei silberne Knöpfe. Der preußische König scharrte mit
den Stiefeln. Bei einigen der Männer saß der Dreispitz schief, andere
drehten
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