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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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Pfarrer lassen ausrichten, dass
alle im Dorf mit den Kartoffeln über den Winter kommen werden. Dick
werden sie zwar nicht davon, aber zu verhungern braucht keiner.«
    Am Neujahrsmorgen machten sich alle Bewohner
Schwaningens auf den Weg zum Schloss. Die kleinsten Kinder wurden auf
dem Arm getragen und auch die meisten Alten mitgeschleppt. Das Klopfen
am Tor und die vielen Stimmen alarmierten die Wachposten, die sofort
ihre Gewehre anlegten. Hofmeister von Haagk verlor den Kopf und wurde
hysterisch. Die Markgräfin kam und befahl, die Menschen in den
Schlosshof zu lassen. Dann öffnete sie selbst eine Tür zum Balkon und
trat hinaus. Die eisige Luft drückte sie fast wieder zurück, denn sie
trug nur ein leichtes Kleid. Sie bemerkte sofort, dass die Menschen
freundlich zu ihr hochschauten.
    »Es lebe unsere Markgräfin! Hoch lebe die Markgräfin!«
    Sie hörte diese Rufe noch im Traum. Als sie schon zusammen mit
Robinson Crusoe am abendlichen Strand um eine Feuerstelle saß.

7
    S us scrofa vittatus «, sagte
Friederike zu ihrem Bruder, dem preußischen König, als er nach einem
Toast auf ihre Person wieder Platz genommen hatte. Weil er darauf nicht
einging, formte sie ihre Lippen so übertrieben, als würde sie zu einem
Schwerhörigen sprechen: »Chinesisches Maskenschwein, Sus
scrofa vittatus .«
    Er schwieg. Also ratterte sie gleich noch herunter: »Dreizehn
bis sechzehn Ferkel pro Wurf, geschlechtsreif schon mit einundachtzig
Tagen, fast der doppelte Fleisch- und Speckertrag wie bei unseren
Tieren, gutmütig und genügsam in der Haltung. Deshalb plane
ich …«
    Friedrichs Kopf ruckte jetzt etwas, und die Muskeln seines
mageren Halses spannten sich.
    »Ach, die Hirtin von Schafen und Ziegen und jetzt also auch
noch von Schweinen. Unsere Mutter ist ja weiß Gott kein Ausbund an
Scharfsinn, aber ihr Bonmot von damals muss man doch als bemerkenswerte
Weitsichtigkeit honorieren.«
    Damit war das Gespräch von seiner Seite aus beendet. Der König
schenkte seiner Schwester noch ein dünnlippiges Lächeln und
konzentrierte sich dann auf das Zerschneiden einer Ananasscheibe. Der
schnellste Ansbacher Reiter hatte erst gestern dreißig dieser modischen
tropischen Früchte aus den Glashäusern des Onkels und Herzogs von
Württemberg geholt. In Ansbach züchtete man solche Neuheiten noch
nicht, wollte damit aber beim König, der sie, wie man wusste, liebte,
Eindruck schinden.
    Er ist viel schlimmer als früher, dachte Friederike, während
sie den Bruder aus den Augenwinkeln beobachtete. Akkurat und schnell
führte er ein saftiges gelbes Stück nach dem anderen in den Mund. So
streng und reserviert, dass jedes Mitglied des Ansbacher Hofes, mit
Ausnahme vielleicht des Geheimen Ratspräsidenten und Premierministers
Freiherr von Seckendorff, an dessen Brust der schwarze preußische Adler
steckte, sich als belangloses Insekt fühlen musste. Ein Insekt, das man
nicht einmal aufspießte und im Glaskasten aufhob, bis es zerbröselte.
Paradoxerweise lag er, obwohl er alle seine Verachtung spüren ließ,
ständig auf der Lauer. Wenn er dann bei diesem oder jenem eine Schwäche
entdeckte oder auch nur eine ungeschickte Bemerkung mit anhörte, schlug
er wie mit einer Fliegenklappe zu und machte den armen Menschen
lächerlich. Natürlich lachte jeder an der Tafel. Wunderbar, wie der
König doch wieder einmal den Nagel auf den Kopf traf! Anscheinend, so
schoss ihr durch den Kopf, musste er andere demütigen, um sich selbst
für scharfzüngig und geistreich zu erachten. Was, wenn man es genau
betrachtete, eine jämmerliche Schwäche des Herrn Bruders war. Auf diese
Erkenntnis, die sie irgendwie erleichterte, genehmigte sich Friederike
einen großen Schluck Rheinwein.
    Früher, als Kronprinz, so erinnerte sie sich, hatte er seine
Gehässigkeit noch mit literarischen Spielchen und hübschen Festen
abgepolstert. Jetzt aber führte er sie so offen spazieren wie andere
ihr neues Spitzenjabot. O ja, der Poet, der Humanist unter den Königen!
Den es nicht einen Deut scherte, wenn Zehntausende auf den
Schlachtfeldern krepierten. Alles oder nichts, siegen oder sterben,
weniger als das Absolute wollte er nicht vom Leben. Mehr wusste er wohl
auch nicht. Warum habe ich schon wieder Mitleid mit ihm?, überlegte sie
und spülte diese Frage sogleich mit dem Rest Wein in ihrem Glas
hinunter.
    Abrupt drehte sich der König wieder ihr zu und riss sie aus
ihren Überlegungen.
    »Sie haben vor drei Monaten wieder eine Fehlgeburt erlitten,
liebe Schwester,

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