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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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sagte Doktor Treu.
    Die Nachricht vom Tod ihres Vaters wurde
nach Schwaningen weitergeleitet und traf ein, als Friederike gerade mit
Caroline Ball spielte. Sie wunderte sich, dass sie so gar nichts
empfand. Keine Trauer, keine Wehmut, nicht einmal Erleichterung.
Allenfalls Dankbarkeit, weil er ihr wie jeder anderen Tochter
dreißigtausend Taler hinterlassen hatte. Friedrich sollte allerdings
bestimmen, wie das Geld angelegt wurde.
    Am Nachmittag ließ sie sich zum Kartoffelacker fahren, ging
Schritt für Schritt am Saum entlang und freute sich, wie kräftig die
Pflanzen gewachsen waren. Darüber hätte sich ihr Vater gefreut.
Ungeziefer entdeckte sie keines. Erst als sie wieder zurück bei der
offenen Kutsche stand und dem Pferd über die Nüstern strich, fiel ihr
auf, dass sie heute ihren lahmen Fuß genau so behände gesetzt hatte wie
den anderen.
    Ab Ende Mai regnete es nicht mehr.
Friederike machte sich darüber zuerst keine Gedanken, im Gegenteil.
Alexander war mit seinem kleinen Hofstaat bei ihr in Schwaningen zu
Besuch, und sie tollte mit ihm und einem Wurf junger Hunde an jedem
dieser schönen Sonnentage im Park umher. Sein Französisch war nicht das
Beste. Sie musste Charles darauf aufmerksam machen. Der Kleine
verbrachte wohl zu viel Zeit mit Frau Schawesberger, seiner Amme. Aber
sonst genoss sie es sehr, wenn er seine kleinen Arme ausbreitete, der ›très
chère maman ‹ auf den Schoß kletterte und
sie küsste. Als sie durch seine blonden langen Locken
hindurchblinzelte, bemerkte sie nur, dass die Gärtner lange Ketten
bildeten und die Gießkannen von Hand zu Hand wandern ließen, um die
Blumenbeete zu wässern.
    »Warum tut ihr das?«, fragte sie selbst zum Entsetzen ihrer
Hofdamen einen der Gärtner, einen älteren Mann mit jungen Augen.
    »Weil die beiden Brunnen im Park ausgetrocknet sind und wir
das Wasser jetzt aus dem Kanal holen müssen, Königliche Hoheit«,
antwortete dieser und verbeugte sich so tief, dass er nur schwer wieder
hochkam.
    Friederike drückte ihm ein Goldstück in die Hand und ging zu
ihrem Sohn zurück. Noch am selben Nachmittag aber schaute sie sich den
Kartoffelacker an, den sie seit Alexanders Ankunft vernachlässigt
hatte. Die purpurfarbenen Blumen waren verblüht, die Blätter hingen
schlaff herab. Keine Frage, auch hier brauchte es dringend Regen. Sie
ließ den Kutscher weiter zu ihren Weizen-, Gerste- und Haferfeldern
fahren. Was sie sah, war schrecklich. Die Erde klaffte daumenbreit auf,
ein heißer Wind wehte ihr Staub ins Gesicht. Mäuse huschten über die
Feldwege. Die Menschen, die sie traf, hatten zornige Augen. Das
Getreide war vertrocknet. Die Ernte wieder vernichtet. Ein Winter mit
Rüben stand bevor, falls die überhaupt reichten. Sonst musste man
Wurzeln ausgraben, Eichelbrei essen und Blüten von Haselsträuchern,
vermischt mit Mehlresten, backen. Eingehüllt in ihre schwarzen Kleider,
hockte eine alte Frau am Feldrand und wiegte einen Säugling.
Wahrscheinlich war sie zu verwirrt, um zu merken, dass es die
Markgräfin war, die vor ihr stand, denn sie jammerte, ohne angesprochen
zu werden:
    »Wir werden wieder hungern müssen, und die Jüngsten und
Ältesten werden als Erste unter der Erde liegen.«
    Friederike ballte ihre Hände zu Fäusten und verbiss sich die
Tränen.
    Der Markgraf überstand nicht nur die
Franzosenkrankheit, sondern auch die Quecksilberbehandlung. Beides
zeigte, versicherte Doktor Treu, seine außerordentlich kräftige
Konstitution. Allerdings fühlte sich Charles noch lange schwach und
müde. Auch als die Beschwerden nachließen, spürte er ein mächtiges
Gewicht auf seiner Brust, besonders wenn er nachts nicht einschlafen
konnte.
    »Ein Albdruck, ein Dämon«, sagte er seinem Leibarzt.
    »Ein Aderlass hilft da immer.«
    Obwohl man ihm dieses Mal acht Unzen Blut herauslaufen ließ
und er ohnmächtig wurde, drückte ihn der Alb weiterhin schwer. Charles
versank in Grübeleien. Gut, durch Gottes Gnade war er Herrscher über
seine Untertanen. Aber dankten ihm das die Untertanen auch? Es war doch
nicht seine Schuld, dass es derzeit nichts zu beißen gab. Hatte er es
je abgelehnt, wenn ein Schuster oder ein Schmied ihn um die Patenschaft
für eines seiner Kinder bat? Wie viele seiner Untertanen hatte er schon
hängen lassen in den elf Jahren, seit er regierte? Charles kam auf
zwanzig, allerhöchstens. Auch mit der Folter hielt er sich zurück. Wenn
ihn aber umgekehrt schon Ischerlein und die Zierl so hintergangen
hatten, wer weiß, wie viele

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