Falkenmagie
die hier wirkt. Sie kann dir nicht schaden, aber wenn du ihre Bilder zulässt, es wirklich willst, kannst du sie sehen, in deinem Kopf. Sprache wirkt über Bilder. So vielleicht.«
Ich ging immer noch hin und her. »Ich stelle mir jetzt einfach mal vor, dass ich das alles glaube, weil ich sonst gar nicht mehr weiß, woran ich mich orientieren soll … Ihr habt also jemanden aus einer nicht-magischen Welt gebraucht und geholt, weil nur so jemand unbehelligt von Ariks Magie bleiben kann, wenn er – ja, was eigentlich?«
»Wenn er dabei hilft, Arik zu vernichten. Wir haben lange auf eine Gelegenheit wie diese warten müssen, bis er wieder jemanden holen lassen wollte. Kyra, im Augenblick hält die gesamte Burg den Atem an, auch wenn du es nicht mitbekommst.«
Ich blieb so plötzlich stehen, dass ich fast die Balance verlor. »Arik zu ver… Ich? Ich soll gegen diesen Spinner …?«
»Ja«, bestätigte Jannis und trat auf mich zu. »Wir werden dir helfen, sei unbesorgt. Ich bin dafür verantwortlich, dass du hier bist, und ich werde darauf achten, dass dir nichts geschieht.«
»Nach allem, was passiert ist, soll ich dir vertrauen?« Das konnte er doch nicht im Ernst verlangen. Aber welche Wahl hatte ich überhaupt?
»Das würde mich freuen«, sagte er und versuchte wieder ein zaghaftes Lächeln. Es sah sehr jungenhaft und sehr anziehend aus, und ich starrte ihn an und wusste plötzlich, dass mir gar nichts übrig blieb, als diesen spukigen Bann zu lösen – nicht nur, weil ich sonst nicht mehr nach Hause kommen würde, sondern auch, weil sie sich hier darauf verließen und mir vertrauten, dass ich sie rettete. Scheiß Helfersyndrom. Ich hatte immer gewusst, dass es mich noch mal übel reinreißen würde.
»Gut«, nickte ich deshalb ergeben. »Also bin ich jetzt die Auserwählte, die den bösen König von seinem Thron stürzt. Was muss ich tun? Wo fangen wir an?«
»Ich werde mich mit Ravez besprechen. Im Augenblick bist du hier sicher – versuche einfach, ein bisschen zu schlafen, damit du wieder bei Kräften bist, wenn es darauf ankommt.« Er warf einen Blick zum Bett hinüber, an dessen Pfosten er immer noch lehnte. »Leg dich ruhig dort hinein. Ich komme wieder, wenn ich mehr weiß.«
Und schon wurde er wieder in einer einzigen fließenden Drehung zum Raubvogel. Der Falke musterte mich ein letztes Mal kurz mit schräggelegtem Kopf, ehe er sich vom Boden abstieß und aus der Fensteröffnung davonstob.
Eine Weile lang starrte ich ihm noch mit gemischten Gefühlen hinterher ins Leere, dann zog ich Hose und Schuhe aus. Ich konnte jetzt wirklich etwas Schlaf gebrauchen und mehr gab es sowieso nicht zu tun.
Wer konnte wissen, was noch alles auf mich zukommen würde.
Ich hatte befürchtet, noch lange Zeit wach zu liegen, während die Erlebnisse der letzten Stunden in mir kreisten, doch so kam es nicht. Das Bett war überraschend weich und gemütlich und kaum lag ich in Unterwäsche und T-Shirt darin, musste ich auch schon eingeschlafen sein. Ich bemerkte den Übergang nicht, ließ mich davontragen wie ein Schiff auf sanft schaukelnden Wogen – nein, keine Wellen, dazu war die Luft zu kalt, die mich streifte. Eher … Strömungen?
Ich schaute nach unten und sah das Land unter mir dahingleiten, nahm es wahr wie etwas Altvertrautes, stieg noch ein wenig höher auf. Ich hatte keine Angst, fühlte mich leicht und frei, losgelöst von allem, was mich hätte belasten und an die Erde binden können.
Und dann, plötzlich, ein Sprung in einer unsichtbaren Wand, durch den sich anderes hindurchzwängte wie zähflüssige Wassertropfen. Flüchtige Bilder perlten auf und platzten: ein kleiner Junge an der Hand seines Vaters unter einem weiten Himmel; eine Familie am Tisch um eine Lampe herum; der Junge, der mit einem Mädchen auf dem Fußboden spielte. Streifzüge durch die umliegenden Felder, Arbeiten in Haus und Hof. Das Mädchen, jetzt älter geworden, lachend und wunderschön. Der Junge, nun ein junger Mann, der sie in gespieltem Zorn über den Hof jagte – ein Mann, der eindeutig Jannis war.
Jannis?
Der Riss schloss sich mit einem schmerzhaften Ruck und ich spürte Verwunderung, die mich umspülte wie zuvor die Luftströmungen.
Kyra? Du bist hier?
Nein, sagte das Ich aus meinem Traum. Ich schlafe doch. Das ist nicht wirklich.
In die Verwunderung mischte sich so etwas wie Heiterkeit. Das ist … interessant. Wenn du schläfst, ist dein Verstand anscheinend offen genug, dass ihn die Magie überrumpeln kann. Sie
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