Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
beschlossen, einen zweiten Hengst zu ersteigern, und heute ist Pferdemarkt. Sie werden ein paar Tage unterwegs sein.«
»Das ist bedauerlich. Aber vielleicht treffen wir sie ja in Lemrik«, meinte Cardol. »Das ist Alduin«, stellte er den jungen Falkner vor.« Und das hier ist sein Falke Rihscha. Die Graue ist Fea Lome, und das ist mein Hengst Nachteule.«
»Freut mich, Euch kennenzulernen, werte Frau.« Alduin legte zur Begrüßung ehrerbietig die Faust an die Brust.
»Willkommen in unserem bescheidenen Heim alle miteinander«, gab Tirla zurück und bezog die Tiere gleich mit ein. Für Katauren zählten Pferde stets zur Familie. »Meine Mannsbilder haben das ganze frische Brot mitgenommen, aber ich kann euch ein paar Pfannkuchen backen. Für Fea Lome und Nachteule haben wir hinterm Haus frisches Wasser und noch einen Bund Heu. Und was braucht der Falke?«
»Er ist satt, hat gerade erst gejagt.« Alduin hob Rihscha von der Stute und streichelte ihn liebevoll, bevor er ihn fliegen ließ.
Das kataurische Haus war geräumig und wirkte einladend. Im Wohnraum stand an einer Seite der große, gescheuerte Tisch, und darum verteilt waren hölzerne Stühle in unterschiedlicher Größe und Form, von denen ein jeder in seiner Form dem Charakter der Familienmitglieder entsprach. An den Wänden hingen zwischen Töpfen und Pfannen gebündelte, getrocknete Kräuter.
Tirla bat ihre Gäste zu Tisch und servierte ihnen brutzelnde Fleischstreifen mit heißen Pfannkuchen. Dann schenkte sie Calba ein, nahm sich selbst einen Becher und setzte sich dazu.
»Es ist eine ganze Weile her, dass du das letzte Mal vorbeigekommen bist, Cardol«, stellte sie fest. »Wie ist es dir zwischenzeitlich ergangen?«
Cardol trank einen Schluck Calba und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Da gibt's nicht viel zu erzählen. Seit dem Herbst bin ich in Sanforan stationiert, nachdem ich den Sommer auf Patrouille in der Nähe von Wilderwil war. Ich fühle mich schon fast wie ein Stadtmensch, aber was soll man machen? Der junge Alduin hier gab mir einen guten Grund, endlich meinen längst überfälligen Urlaub zu nehmen.«
»Und wohin seid ihr unterwegs?«, fragte sie.
»Zu meinem alten Zuhause am Mangipohr - einen halben Tagesritt westlich von Lemrik», antwortete Alduin. »Wir müssen dort so schnell wie möglich meine Mutter holen. Sie ist eine Heilerin, und in der Stadt gab es einen ... einen Unfall.«
»Bei Thorns heiligem Ross! Gibt es denn in der Stadt keine Heiler?«, rief Tirla überrascht.
»Ja, natürlich gibt es dort welche. Viele sogar. Selbst der Falkenmeister kennt sich in der Heilkunst aus«, erklärte Alduin. »Aber bei dem Kranken handelt es sich um einen besonderen Fall. Meine Mutter ist vielleicht die Einzige, die ihm helfen kann.«
Tirla bedachte Cardol mit einem fragenden Blick, doch der Mann zuckte nur mit den Schultern.
»Der Junge hat einen Fremden gefunden. Er lag zusammengebrochen mitten im Emmerfeld. Von Verletzungen keine Spur. Er ist völlig weggetreten. So etwas habe ich noch nie erlebt. Sieht fast so aus, als wäre er in einen todesähnlichen Schlaf gefallen.«
Tirla fragte nicht weiter. »Tja, wenn ihr in Eile seid, solltet ihr Lemrik besser meiden. Immer wenn Pferdemarkt ist, sind Tausende auf den Straßen, ganz zu schweigen vom Trubel im Dorf.«
»Kennst du einen anderen Weg?«, erkundigte sich Cardol.
Tirla nickte. »Ein Stückchen die Hauptstraße hinauf zweigt ein kleinerer Pfad nach Westen ab. Eigentlich ist es kaum mehr als ein Trampelpfad. Aber sie sagen alle, es sei eine Abkürzung zum Elbenwald jenseits des Mangipohr.«
»Abkürzung?«, fragte Cardol skeptisch. »Die meisten Abkürzungen, die ich kennengelernt habe, werden lang und immer länger.«
»Rihscha kann uns führen«, schlug Alduin rasch vor. »Und ich sollte mich in der Gegend recht bald zurechtfinden. Ich kenne sie gut.«
3
Schritt für Schritt bahnten sich Nachteule und Fea Lome ihren Weg auf dem unbefestigten Pfad zwischen den Bäumen hindurch. Immer wieder mussten sich die beiden Reiter ducken, damit ihnen die tief hängenden Äste nicht ins Gesicht schlugen. »Eine wirklich ungemütliche Strecke«, rief Cardol über die Schulter, während er mit einem Zweig kämpfte, der sich in seiner Satteltasche verfangen hatte.
»Es ist nicht mehr weit«, versuchte ihn Alduin zu beruhigen, nachdem er für einen kurzen Moment mit Rihscha Verbindung aufgenommen hatte. Der Falke kreiste ein gutes Stück vor ihnen über einer
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