Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
sich durch das Gewimmel von Pferden und Soldaten den Weg hinaus durch das Osttor der Stadt. Dann hielten sie sich westlich entlang der Stadtmauer, bis sie die Kreuzung vor dem Haupttor nach Sanforan erreichten und die Straße Richtung Norden einschlugen.
Der Abend war eine angenehme Zeit zum Reisen, doch längst waren sie nicht die Einzigen auf der Straße. Fuhrwerke ratterten über den trockenen Boden, und Reisegruppen beeilten sich, um noch vor Toresschluss die Stadt zu erreichen.
Nachdem Alduin anfangs unsicher in Lomes Sattel hin und her gerutscht war, hatte er sich langsam an den wiegenden Rhythmus ihrer Bewegung gewöhnt. Bald traute er sich sogar, nach rechts und links zu sehen.
Die Sonne war mittlerweile hinter dem Horizont verschwunden, und ein dünner Wolkenschleier spiegelte ihre Strahlen. Die fernen Berge, die Felder um sie herum - all das war in das purpurrosa Licht der Dämmerung getaucht. Alduin war wie verzaubert von der verschwenderischen Pracht dieses Schauspiels.
»Wie fühlst du dich?« Cardol hatte Nachteule pariert und wartete, bis Alduin zu ihm aufschloss.
»Bis jetzt noch ganz gut, obwohl ich allmählich jeden Knochen in meinem Hinterteil spüre«, antwortete er grinsend und fragte aber auch gleich: »Wie lange habt Ihr vor, heute Nacht zu reiten?«
»Eigentlich wollte ich dich das gerade fragen. Schließlich ist das deine Reise. Ich bin bloß dein stiller Begleiter.«
»Da gibt es eine gute Stelle zum Rasten an einem Bach«, meinte Alduin. »Aber ich bin nicht sicher, wie weit es bis dahin noch ist.«
»Was hältst du davon, wenn wir es etwas flotter angehen lassen?«, erkundigte sich Cardol.
»Nun ja. Sicher doch«, gab Alduin zurück, doch er wirkte dabei nicht recht überzeugend.
»Ein Versuch kann gewiss nicht schaden. Schlimmstenfalls fällst du runter«, grinste Cardol. »Aber vielleicht solltest du Rihscha mal wieder fliegen lassen, bevor er seine Krallen noch fester in Lomes Fell gräbt.«
Alduin ermunterte Rihscha, sich in die Luft zu erheben. Cardol erklärte inzwischen, wie Katauren-Reiter trabten. »Es ist so eine Art Zweiertakt«, sagte er.
Alduin sah ihn fragend an. »Du wirst schon sehen. Es ist viel angenehmer, als wie ein Mehlsack im Sattel durchgeschüttelt zu werden. Ich zeig's dir.«
Der Kataure ließ seinen Hengst antraben, ritt ein Stück des Wegs und lenkte ihn in einem gekonnten Bogen zu Alduin zurück.
»Jetzt versuch's du mal. Ein bisschen mehr gleichmäßiger Druck mit beiden Schenkeln. Am besten, du stellst dich dabei auf die Fußballen und lässt dich im Takt immer wieder in den Sattel gleiten«, ermunterte er Alduin.
Der junge Falkner wusste, dass es nicht schwer war, ein Pferd anzutreiben. Doch den richtigen Rhythmus zu finden, verlangte schon einiges an Erfahrung. Innerlich stöhnte er auf und ahnte, wie wund sein Hinterteil bald sein würde. Andererseits, so tröstete er sich, je schneller sie vorankamen, desto eher würden sie bei seiner Mutter sein.
Alduin versuchte, Selbstvertrauen auszustrahlen und nicht ungeschickt zu wirken, als sie an einer Gruppe Wanderer vorbeitrabten. Cardol folgte dicht hinter ihm und beäugte ihn mit erfahrenem Blick.
»Nicht übel«, meinte er, als die Straße wieder verwaist vor ihnen lag, und ritt eine Weile neben ihm. »Noch ein Stück in diesem Tempo, dann können wir wieder eine Schrittpause einlegen.«
So wechselten sie vom Trab in den Schritt und kamen gut voran. Der Himmel verdunkelte sich zu einem samtenen Blau, die ersten Sterne leuchteten auf - zuerst vereinzelt, dann in immer größeren Gruppen. Und dann gingen die Monde auf. Silber- und kupferfarben schimmerten die dünnen Sicheln am Nachthimmel.
Alduin sah sich suchend um. Wenn sie nicht bald die Stelle finden würden, die er in Erinnerung hatte, käme ihnen die Dunkelheit zuvor. Er blickte in die Dämmerung und zügelte abrupt sein Pferd. »Da ist es«, rief er und lenkte Lome auf einen Espenhain zu, der vom matten Licht der Sterne beschienen war.
Rihscha umkreiste die beiden Reiter mehrmals und landete auf einem grauen Felsblock seitlich der Bäume. Cardol war bereits abgesessen, hatte die Zügel um einen jungen Baum geschlungen und beugte sich über den Bach, um zu trinken. Als er sah, dass Alduin immer noch im Sattel saß, schaute er mit einem fragenden Lächeln zu ihm auf. »Was ist mit dir?«
»Ich glaube, ich kann mich nicht mehr bewegen«, jammerte der junge Falkner und verzog das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse. »Ich werde
Weitere Kostenlose Bücher