Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
trug den Krug zu ihm hinüber und ließ Cal mit seinen Gedanken allein zurück. Die Zeit mit Aranthia war unbeschreiblich schön, und ganz gewiss würde er zu ihr zurückkehren, aber ein paar zusätzliche Tage ... Er würde hier in Lemrik keine Zeit vergeuden und am besten mit dem Sonnenaufgang schnurstracks nach Thel Gan aufbrechen. In drei, höchstens vier Tagen könnte er schon wieder zu Hause sein. Wenn es länger dauern sollte, könnte er Krath mit einer Nachricht zu ihr schicken.
Cal war mit seinem Plan zufrieden, und als er sah, dass Brend beschäftigt war, setzte er sich auf einen freien Platz am Feuer und streckte mit seinem Getränk in der Hand die Beine aus.
Krath , flüsterte er in Gedanken und nahm Verbindung mit seinem Falken auf. Such dir einen Platz zum Schlafen. Morgen früh bin ich wieder bei dir.
Cal ... Der Name klang in seinem Unterbewusstsein nach. Er lächelte still in sich hinein, als er sich eingestand, dass seine Beziehung mit Aranthia, so tief sie auch sein mochte, nicht zu vergleichen war mit dem mystischen Bund, den er mit seinem Falken eingegangen war.
Dank Brends Gastfreundschaft verbrachte Cal eine angenehme Nacht auf der Pritsche und erwachte am nächsten Morgen bester Laune. Es fühlte sich gut an, wieder unterwegs zu sein, dachte er bei sich. Er hatte seine Wanderstiefel schon viel zu lange nicht mehr getragen. Es schien fast, als wäre er für eine Weile in eine andere Geschichte eingestiegen, eine Geschichte, in der Aranthia keine Hauptrolle spielte. Und so empfand er auch keine Schuldgefühle, sie nicht zu vermissen.
»Bist du wach, du arbeitsscheuer Taugenichts?«, hörte er Brend rufen, der in den Schankraum kam und begann, den Boden zu fegen.
»Lass mich noch einmal kurz mich strecken, wenn es dir recht ist«, gab Cal fröhlich zurück. »Sag, gibt es in diesem Nest keine Hähne? Ich habe noch keinen einzigen krähen gehört.«
»Das liegt daran, dass dein Schnarchen alles übertönt, selbst das Hufgetrampel einer wild gewordenen Pferdeherde«, lachte der Wirt. »Die Sonne wird jeden Augenblick aufgehen.«
Cal schloss die Augen und verband sich mit Krath, der gerade von einer Felsspitze zum Dorf hinüberflog. Tatsächlich blitzten schon im Osten die ersten Sonnenstrahlen durch den dunklen Baldachin des Waldes. Bald darauf hob sich der Feuerball in seiner goldenen Pracht über die Baumwipfel und kündigte einen warmen Tag an.
»So viel zu unserem Aufbruch beim ersten Tageslicht«, murmelte Cal verärgert, brach die Verbindung ab und stand auf.
»Wär's möglich, dass ich einen Becher Calba und ein Stück Brot bekommen kann?«, fragte er Brend.
»Bedien dich ruhig. Du weißt ja, wo die Küche ist. Jerrica wird dir was geben.«
»Danke. Soll ich dir einen Becher mitbringen, wenn ich schon dabei bin?«
»Ich geselle mich gleich zu euch.«
Der köstliche Duft von frischem Brot und dampfendem Calba umfing Cal in dem Augenblick, als er in die Küche kam, und er sog den Duft tief in sich auf. Brends Frau, die gerade den Tisch deckte, blickte auf, als er hereinkam.
»Guten Morgen, Cal. Ich hörte, du hast die Nacht hier verbracht? Ich hoffe, es war nicht allzu ungemütlich. Die Pritsche war sicher bequemer als die harte Bank«, meinte sie vergnügt in Anspielung auf seine früheren Besuche.
»Danke, Jerrica. Ich hab geschlafen wie ein Murmeltier und bin euch sehr dankbar für eure Gastfreundschaft.«
»Wie ich höre, hast du ein Zuhause gefunden und jemanden, mit dem du es teilst.« Sie musterte ihn lächelnd. »Wurde aber auch allmählich Zeit. Freu mich für dich. Ein Mann sollte nicht sein ganzes Leben auf Wanderschaft sein - nicht einmal mit einem Falken als Gefährten. Falken leben schließlich auch nicht ewig, und ehe du dich versiehst, bist du froh, dass es noch jemand anderen in deinem Leben gibt.«
Cal durchzuckte ein jäher Schmerz. Kein Falkner wollte gern daran erinnert werden, dass er seinen Gefährten eines Tages verliert. Rasch verdrängte er den Gedanken wieder.
»Ja, Aranthia ist eine gute Frau. Irgendwann kommen wir beide her, damit ihr sie kennenlernt. Sie ist eine Wunand und lebt seit einigen Jahren in einer kleinen Hütte unten am Fluss.«
»Sprichst du etwa von der Frau, die all die wunderbaren Salben und Tinkturen herstellt?«, fragte Jerrica verzückt. »Das ist sehr gut, wirklich sehr gut.«
Cal war beeindruckt, wie wohlwollend sie über Aranthia sprach und wie weit der Ruf der Heilerin gedrungen war.
»Vielleicht könnt ihr ja mal ein
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