Falkensaga 02 - Im Auge des Falken
Abwechslung vom Alltag. Den ganzen Tag über wurde hier verkauft und gefeilscht, dann am späten Nachmittag aber kam die Zeit, um bei einem guten Tropfen allerlei Klatsch auszutauschen.
Brend und Bralt waren unverkennbar Brüder, auch wenn Bralt in der Breite fast das Doppelte zu messen schien und sehr viel kleiner von Statur war. Brend hatte noch einen vollen Haarschopf, während Bralt doch schon recht kahl war auf dem Kopf. Trotz seines Umfanges sorgte er sich flink wie ein Wiesel um das Wohlergehen seiner Gäste, steuerte bald hier, bald dort ein paar Worte zu den Gesprächen bei. Er begrüßte Fremde stets überschwänglich höflich und so auch Cal. »Seid gegrüßt, Falkner von Nymath. Gepriesen sei Gilian, der Eure Schritte zu unserer Schwelle gelenkt hat.«
Cal legte die Faust an die Brust. »Seid auch Ihr mir gegrüßt, guter Mann«, erwiderte er. »Obwohl ich durchaus darauf vertraue, dass Gilian meine Schritte lenkt, war es in diesem Fall Euer Bruder, der mich in einer bedeutenden Mission geschickt hat. Er bat mich, Euch einen Krug seines edelsten Mets zu übergeben, auf dass Ihr euch einen Eindruck verschaffen könnt.«
Cal öffnete sein Bündel, holte das Gefäß hervor und übergab es Bralt. Ein Grinsen breitete sich über sein Gesicht.
Trotz des wohlklingenden Namens der Schenke, trotz des überfüllten Gastraumes und der lebhaften Stimmung fand Cal, dass Brend doch den besseren Met braute und auch Jerricas Kochkünste die des Weißen Hirschen bei Weitem übertrafen.
Er saß an einem überfüllten Tisch und nahm das Geplauder rings um ihn herum nur mit halbem Ohr wahr. Hellhörig wurde er aber, als er Gesprächsfetzen einer Handvoll Katauren unmittelbar neben ihm aufschnappte.
»War wirklich tragisch«, sagte einer von ihnen. »Der Mann war seit über zwanzig Wintern Falkner. Musste doch gewusst haben, dass es jederzeit geschehen kann. Dann traf es ihn so völlig unerwartet.«
»Ach, du kennst doch diese Raiden«, mischte sich ein anderer ein. »Manche halten sich für Götter. Sie sind alle mächtig hochmütig und bilden sich ein, dass sie und ihre Falken unsterblich sind! Tatsache ist nun mal, dass Falken sterben - ebenso wie unsere Pferde. Du und ich - wir wissen doch auch, dass unsere Tiere vor uns sterben. Das ist schließlich fester Bestandteil des Lebens, so traurig es auch sein mag.«
»Doch dieser Falkner«, warf einer aus der Gruppe geheimnisvoll ein, »er ist daran zerbrochen, fing an, wirres Zeug zu reden ... faselte von einem magischen Ort, an dem Falken ewig leben würden, und wollte dorthin reisen, um ihn wieder zurückzuholen. Stellt euch vor, er hat sich doch tatsächlich geweigert, den Vogel zu begraben.«
Cals Ohren wurden immer länger.
»Wo hat sich das Ganze denn zugetragen?«, fragte jemand.
»Oben in Sean Ferll.«
»Überrascht mich nicht. Ein sonderbarer Ort. Scheint die merkwürdigsten Gestalten anzuziehen. Ich meide die Gegend nach Möglichkeit. Aber einmal, das kann ich dir sagen, da musste ich ...«
Der Kataure senkte die Stimme. Offensichtlich wurde die Geschichte pikant.
Ein unangenehmes Gefühl überfiel Cal. Zwar war er nicht abergläubisch, doch ausgerechnet an diesem Tag war ihm die Sterblichkeit der Falken einmal zu oft vor Augen geführt worden: erst durch Jerricas unschuldige Worte, dann auf dem Flug mit Krath zur Mittagszeit und jetzt noch durch die Unterhaltung der Katauren. Eigenartige Zufälle und beunruhigend zugleich. Konnte es so etwas wie ein Omen sein, das Gilian sandte? Eine Vorwarnung auf etwas, das geschehen würde? Krath war zwar noch nicht alt, doch Unfälle konnten sich jederzeit ereignen. Panik stieg in ihm auf und trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Unvermittelt erhob er sich und bahnte sich den Weg zur Tür. Er musste nach draußen, frische Luft atmen, für einen Moment Abstand gewinnen. Binnen eines Augenblicks war er aus der Tür, die hinter ihm zufiel.
Die Stille umschloss ihn von allen Seiten. Sein Herz wurde schwer, und plötzlich fühlte er sich unendlich einsam.
Die Wolken schoben sich über die beiden Monde und verhüllten nach und nach die wenigen Sterne, die noch am Himmel aufblitzten. Die Dunkelheit legte sich wie ein schweres Tuch über das Dorf. In Cal wuchs eine finstere Vorahnung. Er verband sich mit Krath, der gerade schlief, und spürte eine tiefe Verbundenheit mit dem Falken, die hoffnungsvolle Gedanken in ihm weckten. Er würde in Sean Ferll dem Gerücht nachgehen. Was hatte er zu verlieren?
Alduin
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