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Falkensaga 02 - Im Auge des Falken

Falkensaga 02 - Im Auge des Falken

Titel: Falkensaga 02 - Im Auge des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
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erwachte. Sein Körper fühlte sich leicht und zerbrechlich an, gleich einer spröden Hülle ohne jeglichen Inhalt. Die Vision stand ihm noch lebhaft vor Augen. Er konnte sich nicht erinnern, je etwas Vergleichbares erlebt zu haben. Cals Reise hatte sich angefühlt wie sein eigenes Leben - der Realität so nah.
    Mit einem Mal fingen ihn die Erinnerungen wieder ein und strömten in ihn hinein wie der Wasserstrahl in einen leeren Eimer. Cal war kein Fremder - Cal war sein Vater.
    Jetzt erinnerte er sich auch wieder daran, wie er in die unbändige Strömung des Flusses geraten war. Er erinnerte sich an die Hütte seiner Mutter am Mangipohr, er erinnerte sich an seine Zeit in Sanforan, an die Falkenhalle, wo er mit Rihscha trainert hatte. Er erinnerte sich an lange Abendessen mit seinen Freunden im Speisesaal. Er sah sich neben Erilea am Aussichtspunkt, sah, wie sie gemeinsam den Blick über den Ozean genossen. Ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit überkam ihn.
    Jeder dieser Augenblicke stand ihm so unmittelbar, so lebendig vor Augen, dass er sich fragen musste, ob er nicht vielleicht sogar in Wirklichkeit gestorben war und nun für sein Leben Rechenschaft ablegen musste.
    Eine kühle Hand legte sich auf seine Stirn.
    »Gut, gut. Das Fieber ist weg. Nun musst du nur noch etwas Geduld haben, bis du deine alte Kraft wiedererlangst.«
    Weder die Gegenwart noch die Stimme überraschten ihn.
    »Was ist mit Rihscha?«, fragte er.
    »Ihm geht es gut. Er jagt und hilft dir, deine Kraft zurückzugewinnen. Sieh selbst.«
    Alduin ging die Verbindung mit Rihscha so mühelos ein, als hätte er nie etwas anderes getan. Das Blut der Beute, die Rihscha gerade riss, schmeckte salzig auf seinen Lippen und gab ihm neue Lebenskraft. Das Jagen war ein Bestandteil des Lebenskreislaufs. Alduin genoss das Gefühl, dass er nach langer Zeit endlich wieder bei vollem Bewusstsein war, und versank sogleich wieder in einen traumlosen Schlaf.

7
     
    Erilea stand auf, als der Himmel am frühen Morgen zu dämmern begann. Sie packte schnell ein paar Sachen für ihre Reise und bereitete sich auf ihr Ritual zum Sonnenaufgang vor. Als sie es beendet hatte, wandte sie sich Elin zu, der neben dem Eingang lag und sie beobachtete. Überrascht musterte sie den zufriedenen Ausdruck im Gesicht der Raubkatze.
    »Du hast also gejagt, Elin!«, sagte sie, kniete sich neben das Tier und vergrub ihre Hand in seinem dichten Brustfell. Sie spürte dem kräftigen Herzschlag nach, der sich auf ihren Arm übertrug, und erst allmählich wurde ihr bewusst, was das hieß. Sie lehnte sich zurück.
    »Ich denke, du bist jetzt bereit, deiner eigenen Wege zu gehen«, sagte sie und versuchte gar nicht erst, die Tränen zu unterdrücken. Noch gestern, als sie Elin getauft hatte, war sie sich ganz sicher gewesen, dass es ihr leichtfallen würde, ihn ziehen zu lassen, wann auch immer er dafür bereit war. Doch dass es schon so bald sein würde - damit hatte sie nicht gerechnet. Fast so, als hätte er sie verstanden, erhob er sich und rieb den Kopf an ihrer Schulter. Sie schluchzte leise, schlang die Arme um seinen Hals und drückte ihn ganz fest an sich. Dann wischte sie sich die Tränen von den Wangen, stand auf, ging in ihren Unterschlupf, holte ihre Schultertasche und die Waffen. Als sie wieder herauskam, war von Elin weit und breit keine Spur zu entdecken.
     

     
    Kurz nach Sonnenaufgang, zwei Tage nach seinem Aufbruch aus Sanforan, erreichte Rael das Ufer des Mangipohr an einer breiten Stelle. Es war ihm schnell klar, dass er hier den Fluss nicht überqueren konnte. So nahm er Verbindung mit Sivella auf, die für ihn nach einer Furt oder einer Brücke suchen sollte. Ein paar Wegstunden südlich entdeckte der Falke eine kleine Häusergruppe, die um eine Anlegestelle gewürfelt war. Von dort aus konnten Reisende mit einer Fähre übersetzen.
    Sivella landete auf dem First eines einfachen Bootshauses am Wasser und wartete auf Rael. Es war früher Nachmittag, als der Falkner eintraf. Ein Knabe von höchstens acht Wintern in knielanger Hose und einem ärmellosen Hemd rannte ihm aufgeregt entgegen und richtete seinen verdutzten Blick auf den Falken, bevor er lossprudelte.
    »Falls Ihr übersetzen wollt: Der Fährmann kommt erst bei Sonnenuntergang zurück«, erklärte er, seinen Blick immer noch auf Sivella gerichtet.
    »Du meinst, ich kann vorher nicht über das Wasser?«, fragte Rael überrascht.
    Der Junge schüttelte den Kopf.
    »Gibt es denn einen anderen Ort, an dem ...?«,

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