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Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Titel: Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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worden, und eine Lizenz für eine Bierschenke war nur noch schwer zu bekommen.
    Am für mich bemerkenswertesten Tag des Jahres ging ich zu einem Haus, das von außen stockdunkel war. Die Helligkeit und der beißende Moschusgeruch, die mich beim Eintreten umfingen, raubten mir beinahe die Sinne. Beides diente nicht nur dazu, mich zu erregen, sondern gestattete der Frau, die das Haus führte, mich eingehend zu mustern und meinen Namen aufzunehmen.
    »Tom Neave.«
    Es war wie ein Zwang. Es bestand ein gewisses Risiko, aber es war gering und steigerte nur die Erregung. Ich merkte an ihrer Reaktion, dass sie den Namen für falsch hielt, denn es war der Name eines gewöhnlichen Flugblattschreibers, der während des Krieges wohlbekannt gewesen war, nun jedoch schon seit Jahren nichts mehr geschrieben hatte, und den man längst für tot hielt.
    Sie führte mich einen Flur entlang, bis ich mich erneut im Dunklen wiederfand. Überwältigt vom wechselnden Licht, den penetranten Gerüchen, den murmelnden Stimmen aus dem einen und schallendem Gelächter aus einem anderen Raum, war ich von den köstlichsten Empfindungen erfüllt.
    Ein Knabe nahm mir Hut und Umhang ab, führte mich hinauf in den ersten Stock und öffnete eine Tür. Das Mädchen, das sich zu meiner Begrüßung erhob, war jung genug, um die Jungfrau zu sein, die sie angeblich war. Ihr Zittern und ihr verlegenes Lächeln deuteten an, dass es vielleicht sogar stimmte.
    Ich war so sehr auf mein Ziel konzentriert, dass ich erst, als ich die Tür schließen wollte, den Jungen richtig ansah. Sein Haar war nicht nur rot – es war genau derselbe helle, feuerrote Farbton, der für mich stets ein Fluch gewesen war.
    »Warte.«
    Unverschämt langsam drehte er sich um. Er musste acht oder neun sein. Er trug die abgelegte Livree irgendeines Dienstboten, aufgelesen an einem Lumpenstand. Im schwachen, gelblichen Schein der Talglichter, die an der Wand flackerten, konnte ich sein Gesicht nicht erkennen.
    »Komm her.«
    Er rührte sich nicht. Seine Stimme triefte von spöttischer Ehrerbietung. »Wenn sie nicht Euren Vorstellungen entspricht, Sir, hole ich Ihre Ladyschaft.«
    Er verbeugte sich und begann, die Treppe hinabzusteigen. Ich eilte ihm nach und erwischte ihn auf der dunklen Stiege. »Tu, was man dir sagt! Komm her.«
    Ich wollte ihn ins Licht zerren, doch er verpasste mir einen gemeinen Tritt gegen das Schienbein und brüllte: »Achtung!«
    Als er sah, dass niemand am Empfang saß, rannte er nach oben, wo ich ihn erneut in die Enge trieb. Er stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus, eher tierisch als menschlich. Eine Tür flog auf. Ellie war kaum wiederzuerkennen. Die Schminke auf ihrem Gesicht glänzte, konnte indes ihre kraterübersäte Haut nicht vollständig verdecken. Sie zog einen Hausmantel über ihre schlaffen Brüste und den Bauch.
    »Wie oft habe ich dir verdammt nochmal gesagt …«
    Vielleicht hätte ich mich davongeschlichen, aber sie hörte auf, den Jungen anzuschreien und starrte mich an.
    Der Schock in ihrem Gesicht übertrug sich auf den Jungen, der, mit dem unfehlbaren Gespür eines Kindes für herannahende Katastrophen, seine Großspurigkeit vergaß und zu ihr rannte. Gegen ihren Hausmantel gepresst sah ich sein Gesicht. Es bestand keinerlei Zweifel. Er hatte die Nase der Stonehouse, doch statt Lukes falkengleicher Arroganz zeigte er das Raubtierhafte eines Milans, des Aasfressers der Stadt. Er hatte ein Messer, und, ermutigt durch den schützenden Arm seiner Mutter, zeigte seine Miene, dass er bereit war, es zu benutzen. Beide wurden grob beiseitegestoßen, als Ellies wütender Kunde aus ihrem Zimmer gestürzt kam.
    »Was glaubt Ihr eigentlich, wer Ihr seid …«
    Er verstummte. Er wusste, wer ich war, und ich erkannte in ihm vage irgendeinen niederen Offizier der Kriegsflotte. Seine polternde Wut verließ ihn, wie Luft aus einer angestochenen Blase wich. Meine Stellung war nicht nur weit höher als die seine, ich hatte zudem noch meine Hose an.
    »Raus hier.«
    Er wollte davonstolpern, erinnerte sich an seine Kniehosen, kehrte zurück und stieß in seiner Hast beinahe einen Nachttopf um. Der Junge lachte lauthals, verstummte indes, als Ellie ihm eine schallende Ohrfeige versetzte. Der Marineoffizier vollzog in Anbetracht meines Ranges einen nur halb geglückten Kniefall und eilte den Korridor hinunter. Inzwischen war die Frau am Empfang wieder da. Ich hörte leise, panische Stimmen, Türen öffneten und schlossen sich, als ob die Männer eine

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