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Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)

Titel: Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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ebenso unbeugsam wie der König, war er ins Gebet vertieft. Seufzend dachte ich an die Vergangenheit und an all meine alten Flugblattschreiber-Kollegen wie den ohrlosen Jack, die am Rand der Menge standen und zu denen ich einst gehört hatte. Und ich stöhnte auf, weil ich, als der Henker den Kopf in die Höhe hielt, wusste, dass jetzt, da er nicht länger sprechen konnte, dem König große Worte und fesselnde Geschichten gewidmet werden würden und dass er nichts mehr falsch machen konnte.

    Mr Ink war mit seinem stattlichen Bauch und den sauberen Kragen und Manschetten mittlerweile eigentlich zu bedeutend für solche Aufgaben, aber er war so freundlich, meine Jungfernrede im House aufzunehmen, die ich dem Thema Zensur gewidmet hatte. Jetzt, wo ich in Lord Stonehouse’ Sessel in der Queen Street saß, erkannte ich, wie dringend nötig die Zensur war, was mir, als ich noch auf der anderen Seite gestanden hatte, nie in den Sinn gekommen wäre. Wir waren die Ausgestoßenen Europas, wo man entsetzt auf die Exekution eines gesalbten Königs reagierte. Unser Feinde saßen nicht nur draußen, sondern mitten unter uns, in Irland und Schottland. Als Staatssekretär war ich zuständig für den Geheimdienst und spezielle Aufgaben im Rahmen der Diplomatie – kurz, ich war das, was Lord Stonehouse einst gewesen war, der Herr der Spione.
    Ich fragte Mr Ink, ob er sich noch an die Worte erinnerte, von denen er mir einst sagte, sie würden die Welt verändern. Er schwieg eine Weile, die Hände über dem Bauch gefaltet, ehe er antwortete: »Nun, Sir Thomas, inzwischen glaube ich, dass es die Worte sind, die sich verändern. Die Welt ändert sich nie.«
    Meine Hauptsorge galt Anne. Körperlich ging es ihr besser, aber in ihrem Inneren herrschte eine sonderbare Leere. Sie starrte die Menschen an, als sei sie stets kurz davor, sich an etwas zu erinnern. In der Hoffnung, die Landluft würde sie beleben, brachte ich sie zum ersten Mal nach Highpoint. Das war ein Fehler, und sie verkroch sich nur noch tiefer in ihr Scheckenhaus. Es war, als hätte sie all ihre Kraft für das Sehnen nach diesem Ort verbraucht und jetzt kein Fünkchen mehr übrig, um ihn zu genießen. Ich hasste den Ort. Eine halbe Ruine, die Säulen voller Einschlagslöcher von Musketenkugeln, der Park verwildert und die Springbrunnen versiegt. In einem vernachlässigten Flügel hingen immer noch schwarze Vorhänge und kündeten von Lord Stonehouse’ Tod. Verwirrt und bestürzt starrte Anne das Haus an. Ein Traum, der sie all die Jahre aufrechterhalten hatte, entpuppte sich als Albtraum.
    Ich war spontan mit ihr nach Highpoint gefahren, ohne Mr Fawcett, den Butler, vorzuwarnen, der in mir weiterhin einen Emporkömmling sah. Er gaffte mich aus seinen froschähnlichen Augen an, ehe er schweigend die Dienerschaft versammelte, damit sie sich zu unserer Begrüßung in einer Reihe aufstellte. Anne schrak zurück. Sie trug das Kleid, das sie in jener Nacht getragen hatte, als Lord Stonehouse starb, und von dem zu trennen sie sich weigerte. Es war fadenscheinig, und die Diener sahen besser gekleidet aus als sie. Ich legte ihr den Arm um die Schultern. Mir tat das Herz weh, als sie sich an mich klammerte. Sie bedeutete mir mehr als alles, wonach ich je getrachtet hatte, und ich war froh, diesem verfluchten Ort den Rücken kehren zu können. Wenn sie ihre Besessenheit endlich losgeworden war, konnte er meinetwegen vollends verfallen. Ich führte sie zurück zur Kutsche und wollte die Nacht im Stonehouse Arms in Oxford verbringen, ehe wir nach London zurückkehrten.
    Aber wir konnten Luke nicht finden.
    Er war gesehen worden, wie er auf einen Baum kletterte. Ein Diener war ihm durch die Galerie nachgejagt. Schließlich entdeckten wir ihn in den Ställen, ganz hingerissen von dem Stallburschen, der ein Auge in Dunbar verloren und ihn mit den Worten begrüßt hatte: »Wie ich sehe, haben wir da noch einen verwundeten Krieger. Lasst mich das Zeichen Eures Mutes betrachten.«
    Von diesem Moment verbarg Luke sein Gesicht nie wieder. Er weigerte sich, Highpoint zu verlassen. Er liebte die verfallenden Gemäuer.
    »Gehört das uns? Und das? Was? Alles?«
    In die Dienerschaft kam Leben. Aufgrund seiner natürlichen Arroganz akzeptierten sie ihn als einen Stonehouse, auf eine Art und Weise, wie sie mich nie akzeptiert hatten. Ich machte Jane zur Haushälterin, wie ihre Mutter es einst gewesen war, und Scogman zum Vogt. Er lernte schreiben. Seine Handschrift war grauenvoll, aber er

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