Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
den Soldaten getötet, und gleichgültig, ob man mich erkannt hatte oder nicht, er konnte mich in die Sache hineinziehen.
Er griff nach seinem Glas und stellte es wieder ab, ohne daraus getrunken zu haben. »Können wir zusammenarbeiten?«
Er hatte mir meinen Argwohn angesehen und sprach mit ungeahnter Leidenschaft. Er würde den König besuchen. Er wusste, was die Königin vorhatte. Ich kannte Cromwells Pläne. Wie klein auch immer unser Einfluss sein mochte, wir konnten mitbestimmen, was auf die Tagesordnung kam, wir konnten die Menschen näher zusammenbringen, genau, wie sein Brief uns zusammengeführt hatte. Schließlich waren wir beide Stonehouse.
Ich tastete nach der Narbe, die einer seiner Männer auf meiner Wange hinterlassen hatte. »Glaubt Ihr, ich könnte Euch vertrauen?«
»Genauso, wie ich Euch vertraue«, sagte er.
»Touché«, murmelte ich.
Unvermittelt begann mein Herz zu pochen. Genau das brauchte das Land – Gespräche anstelle endloser Kämpfe. Was hatte ich schon zu verlieren? Wenn er aufrichtig war, konnte ich möglicherweise, in welch geringem Maß auch immer, Einfluss auf die Verhandlungen zwischen Cromwell und dem König nehmen. Wenn nicht, dann bot sich mir möglicherweise eine Gelegenheit, diese Briefe in die Finger zu bekommen.
Ich begann zu reden. Mit Bedacht, ohne die Schwäche der New Model Armee zu verraten, erzählte ich ihm von jenen Regimentern, die zuverlässig hinter Cromwell standen, damit der König sich hinsichtlich der Stärke seines Gegners keinerlei Illusionen hingab. Ich erfuhr nie, was er mir im Austausch dafür anvertraut hätte, denn in einem Lichtfleck erspähte ich ein aufgewühltes Gesicht, das sogleich wieder im Schatten verschwand, wie in meiner Kindheit die Irrlichter in den Sümpfen. Jane, meine Haushälterin? In einer Schenke? Ich meinte, zu viel getrunken zu haben, oder das Licht führte mich in die Irre, aber dann sah ich sie erneut, wie sie sich durch die plaudernden, lachenden Trinkenden drängte, die fluchten, wenn ihre Getränke umgestoßen wurden.
»Master. Ich habe Euch überall gesucht. Es ist Liz, die kleine Liz.«
10. Kapitel
Unablässig drängte Jane, wir hätten keine Zeit, keine Zeit. Sie hatte eine Mietkutsche draußen warten lassen, ich kletterte mit ihr hinein und ließ Richard im The Pot sitzen. Wir fuhren die Fleet Street hinunter und waren in Newgate, ehe ich mir zusammengereimt hatte, was geschehen war. Als Liz immer schwerer Luft bekam, hatte Anne Dr. Latchford gerufen. Das bisschen Milch, das Liz von der Amme getrunken hatte, hatte sie wieder erbrochen. Noch ehe der Arzt eintraf, litt die Kleine solche Qualen, dass Anne sie an ihre Brust legte, auch wenn sie sie nicht stillen konnte. Das schien sie wiederzubeleben, doch der Arzt sagte, dass er nichts mehr für sie tun könne, und riet Anne, nach einem Priester zu schicken, um das Kind taufen zu lassen.
»Mr Tooley hat sie getauft?«
»Nein, nein, Mr Tooley ist verschwunden.«
»Verschwunden?«
»Er hat seine Pfründe verloren. George hat einen Schrank aufgebrochen und sein altes Chorgewand, Gebetbücher und Bilder gefunden. Er hat ihn beschuldigt, die alte Religion zu praktizieren.«
Kalter Schrecken überkam mich. Ich war sicher, dass ich alles wieder in den Schrank eingeschlossen hatte. Dann fiel mir das alte Gebetbuch ein, das ich herausgenommen hatte, um darin zu lesen. Hatte ich es zurückgelegt? Ich konnte mich nicht erinnern.
»Was wird jetzt mit ihr geschehen?«, schluchzte Jane. »Niemand ist da, der sie taufen kann. Was wird mit ihrer armen kleinen Seele geschehen?«
»Wo ist sie? Wo fahren wir hin?«
»Anne ist mit ihr in Eure alte Kirche gefahren, um den neuen Priester zu finden. Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass Liz zu krank ist, aber sie ist wie toll. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, dass sie Liz taufen lassen muss, und zwar in dieser Kirche.«
Es war beinahe dunkel, als wir die Kirche erreichten. Nirgendwo brannten Kerzen. Gerade eben konnte ich in der Dunkelheit die Schemen der kleinen Gemeinde erkennen. Stolpernd machte ich ein paar Schritte, ehe ich Anne am Taufbecken entdeckte. Sie war genauso reglos wie der Stein, aus dem es gemeißelt war. Weder begrüßte sie mich, noch sprach sie zu mir. All ihre Sinne waren auf das Baby gerichtet, das in Windeln gewickelt an ihrer Brust ruhte.
»Ist sie …?«
Anne antwortete nicht. Die einzige Bewegung war das Heben und Senken ihrer Brust. Das Bündel regte sich, und das winzigste, trockenste
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