Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
lassen. Mehr kann ich nicht tun.«
Zur selben Zeit hörte ich ein herannahendes Pferd und erspähte einen Lichtschimmer in der Sakristei. Eine einzige Kerze brannte. Als ein hochgewachsener Mann eintrat, entzündete ich weitere Kerzen. Regentropfen glitzerten auf seinem Reitumhang und seinen buschigen Augenbrauen, als er sich mit Augen umblickte, so klein und schwarz wie Johannisbeeren. Entweder hatte er spät zu Mittag oder früh zu Abend gegessen, denn sein Magen rumorte, und ich roch die Speise in seinem Atem, als George ihn mir, mit einem Schwall kriecherischer Entschuldigungen über die Störung, als Reverend Samuel Burke vorstellte.
Ich flehte ihn an, die Zeremonie umgehend abzuhalten, doch er sagte mit einem Rülpser, dass es gewisse Formalitäten gäbe, die auch bei größter Dringlichkeit nicht missachtet werden dürften. Er müsse sich vergewissern, wer wir seien, ob wir verheiratet und ordentlich belehrt worden seien.
»Bitte! Sie ist sehr krank! Könnt Ihr das nicht begreifen?«
Annes eindringliche Stimme hallte durch die Kirche und hätte eine steinerne Säule zu Tränen gerührt. Burke ging zu Anne, nicht ohne mich mit einer kleinen Verbeugung zu fragen: »Ihr seid Lord Stonehouse’ Enkel?«
Aus seinem Auftreten schloss ich, dass dies der einzige Grund war, warum er sich bei seiner Mahlzeit hatte stören lassen. Ich scherte mich nicht darum. »Ja, allerdings. Wir möchten, dass sie auf den Namen Elizabeth …« Der Name Stonehouse blieb mir in der Kehle stecken. Ich nannte den Namen, den ich ihr stets ins Ohr geflüstert hatte. »Elizabeth Neave getauft wird.«
»Nein!«, schrie Anne.
Burke stieß ein fettes, anzügliches Lachen aus und erklärte, dass er schon viele Dispute über den Namen erlebt habe, aber noch nie über den Familiennamen.
»Schon gut, schon gut«, sagte ich zu Anne. »Wie du wünschst.«
Währenddessen hatte George Burke am Ellenbogen zur Seite gezogen. Ich hörte, wie er Edwards und den Buchladen in Cornhill erwähnte und flüsterte: »Er hat behauptet, keine Seele zu besitzen!« Burkes Haltung veränderte sich. Er bedachte mich mit einem langen, kalten Blick. Doch ein Hustenanfall des kleinen, gewickelten Bündels beendete alle Streitereien.
Der Husten hörte auf und begann wieder von neuem, begann als Keuchen und endete mit einem erstickten Schrei, ehe es erneut einsetzte. Bei jeder Pause und jedem erneuten Wiedereinsetzen litten wir mit – ihre ganze Kraft schien in diesem Husten zu liegen, und jedes Mal, wenn sie um Luft rang, wünschten wir, sie möge weiterkämpfen. Ich streckte meinen Finger aus, und sie ergriff ihn mit ihrer kleinen Hand. Ich fühlte mich, als würde ich um mein eigenes Leben ringen, so wie ich es getan haben musste, als man mich kurz nach meiner Geburt auf einem kalten, nassen Feld liegengelassen hatte. Ich bildete mir sogar ein, im Dämmerlicht der Kirche Kate Beaumann zu erblicken, die mich dorthin gelegt hatte, und Matthew, der mich, nachdem er mich zunächst auf den Pestkarren warf, gerettet hatte, als ich schrie und strampelte und mich zurück ins Leben kämpfte.
Das Husten, das qualvolle Ringen, durchdrang sogar die Barriere von Burkes steinernen Formalitäten. Er winkte Anne nach vorn in die Kirche. Sie begriff nicht, bis er hervorstieß, dass er das Kind taufen würde, aber nicht am Taufbecken, da das nicht den Vorschriften des presbyterianischen Gottesdienstes entsprach.
Schwankend ging sie nach vorn, der Schal rutschte ihr aufs Neue von der Schulter. Ich folgte ihr und legte ihr das Tuch wieder um. Sie zögerte, und ihre Zähne klapperten, als sie sagte: »Werdet Ihr sie mit dem Zeichen des Kreuzes segnen?«
George schüttelte traurig den Kopf. »Ach, Mr Burke, da seht Ihr es – wie Mr Tooley seine Herde mit römischen Ketzereien verdorben hat.«
»Ich werde keine papistische Zeremonie durchführen«, sagte Burke. »Das hatte ich befürchtet. Kein Bekreuzigen, kein Taufbecken, keine Paten.«
»Keine Paten?«, sagte Anne stockend.
In diesem Moment sah ich, dass Kate und Matthew keine Phantasiegestalten waren, sondern zur kleinen Gemeinde gehörten.
»Wünscht Ihr, dass das Kind getauft wird oder nicht?«
»Ich will, dass Mr Tooley sie tauft«, weinte Anne.
»Mr Tooley ist entlassen worden«, sagte Burke barsch.
Meine Stimme zitterte, sosehr ich mich auch bemühte, sie ruhig zu halten. »Es tut mir leid, dass wir Euch gestört haben. Wir bedürfen Eurer Dienste nicht länger. Bitte geht.«
Seine Augenbrauen stießen
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