Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
Aufbruch zu hindern. Ich nickte und trieb mein Pferd an.
»Ihr wirkt verstimmt, Sir.«
Ich war versucht, ihm mein Herz auszuschütten, aber was hätte das für einen Sinn? Er würde es nicht verstehen. Ob er ein Gauner war oder nicht, vermochte ich nicht zu entscheiden. Ganz gewiss war er einfallsreich und raffiniert, aber sein Können war beschränkt auf eine Welt, in der er sich in die Herzen der Menschen schlich (vor allem in die der Frauen), und anschließend in ihre Häuser. Weiter reichten seine Gedanken nicht. Das Parlament? Falls er überhaupt daran dachte, dann nur, um zu überlegen, wie er es genauso austricksen konnte wie andere Menschen. Doch während wir ritten, und er mir unablässig forschende Blicke zuwarf, skizzierte ich die Situation mit so einfachen Worten wie möglich, wobei ich erwartete, dass er gleichgültig die Achseln zucken würde.
Stattdessen zügelte er sein Pferd. »Ihr meint, das Parlament sei verloren, Sir?«
»Ja.«
»Ich dachte, das Parlament hat gewonnen?«
»Ja.«
Ich wusste, dass er es nicht verstehen würde – verstehen, dass Holles, der seit der ersten Schlacht in Edgehill Frieden um fast jeden Preis gewollt hatte, dem König zu viel Macht zurückgeben würde; dass der König schließlich zurückkehren und das Parlament auflösen würde, wie und wann es ihm gefiele. Scogman hielt sein Pferd an. Er trug einen abgewetzten, altersschwachen, breitkrempigen Lederhut, der einst einem toten Cavalier gehört hatte. Er nahm ihn ab und kratzte sich am Kopf.
»Ihr meint, all das sei nur Zeitverschwendung gewesen, Sir?«
Ich folgte seinem Blick. »All das« war eine zerstörte Burg, deren Mauersteine die Landschaft verschandelten. Das Unkraut wucherte, und die Tiere grasten, doch wohin man auch blickte, überall traten die Narben des Krieges zutage. Eine abgebrannte Scheune, eine zerschmetterte Kanone, Bäume, gefällt von den Soldaten, die von dem leben mussten, was das Land hergab, und ein Haufen von der Sonne gebleichter Pferdeknochen, das Fleisch hatten die Männer verspeist.
»Ich habe einige gute Freunde verloren«, sagte er.
Ich dachte an meinen besten Freund Luke, der in Edgehill in meinen Armen gestorben war. Ich hatte meinen Sohn nach ihm benannt. So viele waren gestorben, dass ich mich daran gewöhnt hatte. Wir standen auf der Kuppe eines Hügels, von dem wir hinunter nach Dutton’s End schauen konnten. Was vom Regiment übrig geblieben war, marschierte in Reih und Glied in die Gemeindehalle. Ich konnte sogar Will ausmachen, neben der hochgewachsenen Gestalt von Sergeant Potter, der die Männer in die Halle hetzte, als würde er Tiere zum Markt treiben, um getauscht, verkauft und geschlachtet zu werden.
»Gibt es denn nichts, was wir tun können, Sir?«
»So ist nun einmal der Lauf der Welt, Scoggy.«
»Ach ja?« Er hieb auf seinen Hut, als steckte der Cavalier noch darin. Er fand die Schlitze, in die der tote Cavalier wohl einst eine Straußenfeder gesteckt hatte, und steckte einen grünen Lorbeerschössling hinein. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass es irgendeine Bedeutung hatte, sondern glaubte, er würde nur herumalbern.
»Komm schon«, sagte ich gereizt. »Zumindest können wir das Regiment retten.«
»Vielleicht können wir viel mehr tun als das, Sir.«
»Ich habe es dir doch erklärt! Ich kann nicht zu Cromwell reiten, Soldaten versammeln und rechtzeitig in Holdenby sein.«
»George hat einen Trupp nicht weit von hier, Sir.«
Irgendetwas in seiner Stimme ließ mich mein Pferd zügeln. »George? Wer zum Teufel ist George?«
»George Joyce«, sagte Scogman. »Er ist Fahnenjunker in Fairfax’ Kavallerieregiment. Er kennt Holles. So gut, wie ein Mann einen anderen nur kennen kann, sagt er – er hat ihn ausgemessen. Er war Lehrjunge bei Holles Schneider. George sagt, Holles wär’ ein widerliches Stück Arbeit gewesen. Und sein Charakter wär’ genauso spitz und knochig wie seine Knie.«
Ich wandte mich ab. Ein Schneider. Ein Fahnenjunker – der niederste Offiziersrang bei der Armee.
»Er hat mit Major Rainborough zusammengearbeitet, um das Geschütz in Oxford sicherzustellen, für den Fall, dass das Parlament – Holles – sie in den Norden beordert.«
Ich wurde sehr still. Das stimmte vollkommen mit den Informationen überein, die Lord Stonehouse mir gegeben hatte, nur dass er mir nicht verraten hatte, wer sich des Geschützes bemächtigt hatte.
»George hat fünfhundert Reiter aus denselben Regimentern zusammengezogen, die
Weitere Kostenlose Bücher