Fallen Angel 07 Tanz der Rose
Hand in Hand die Altstadt von York besichtigt, die mittelalterliche Stadtmauer bestaunt und in York Minster - einer der größten Kathedralen des Landes - ehrfürchtig geschwiegen. Auch das Seengebiet - Stephens Wunschziel - hatte ihre Erwartungen nicht enttäuscht. Der Lake District war ein Märchenland mit zerklüfteten Bergen und tiefen Wassern, und Rosalind würde nie die strahlenden Augen ihres Mannes vergessen, als ein Bootsmann sie bei leichtem Nebel über den Windermere-See ruderte. Sie stellte immer wieder fest, daß er die Begeisterungsfähigkeit eines Kindes besaß, das die Welt entdecken möchte, und er schien glücklich darüber zu sein, diese Entdeckungen mit ihr zu teilen, was sie wiederum glücklich machte.
Die Kutsche hatte Mayfair erreicht und blieb stehen, viel zu abrupt für Portia, die vom Türgriff neugierig aus dem Fenster geschaut hatte. Sie rutschte ab und purzelte auf den Boden, landete jedoch mit Hilfe der unvergleichlichen Luftakrobatik einer Katze durchaus elegant. In den vergangenen zwei Wochen war sie kräftig gewachsen und hatte sich erstaunlich gut ans Reisen gewöhnt. Stephen fing sie geschickt ein und verbannte sie vorübergehend in ihre Transportkiste. »Grosvenor Square. Wir sind angekommen. «
Der Kutscher öffnete die Tür, und Stephen half Rosalind beim Aussteigen aus dem staubigen Gefährt. In der Dämmerung kam Ashburton House ihr erschreckend groß vor. Bis jetzt waren sie schlicht als Mr. und Mrs. Kenyon unterwegs gewesen, so daß man sie überall zwar höflich, aber nicht übertrieben ehrerbietig behandelt hatte, was Rosalind sehr recht war. Doch hier in London würde Stephen natürlich der Herzog von Ashburton sein, und sie mußte die Herzogin spielen - eine Rolle, der sie sich immer noch nicht gewachsen fühlte.
Mühsam rang sie sich ein Lächeln ab. »Das ist ja ein richtiger Palast! «
»Leider Gottes! Viel zu prächtig für meinen Geschmack. «
Stephen griff nach Portias Kiste und legte seiner Frau einen Arm um die Schultern, während sie die breite Treppe hinaufgingen. »Es wird angenehm sein, mehrere Nächte hintereinander am selben Ort zu verbringen, aber sobald ich hier alle wichtigen Geschäfte erledigt habe, fahren wir in die Abtei. Ich freue mich darauf, sie dir zu zeigen. «
Und er wollte in Ashburton Abbey sterben, das hatte er ihr gesagt, als sie vor den Königsgräbern in der Kathedrale von York standen.
Die Haustür wurde auf Stephens Klopfen sofort von einem Diener in Livree geöffnet, dessen Miene vor Bestürzung versteinerte. »Euer Gnaden! W-wir haben Sie nicht erwartet«, stammelte er.
»Ich weiß. Wir werden mindestens zwei Wochen hier sein, Milton. Geben Sie dem Personal diesbezügliche Anweisungen und sorgen Sie dafür, daß wir so schnell wie möglich heißes Badewasser sowie ein leichtes Abendessen bekommen. « Stephen schob Rosalind ein wenig vor. »Die neue Herzogin von Ashburton, deren Befehlen genauso Folge zu leisten ist wie meinen eigenen. « Er überreichte dem Diener Portias Kiste. »Das Kätzchen der Herzogin. Bitte bringen Sie es in unsere Privaträume. «
Milton ließ die Kiste fast fallen, als Portia wie ein Tiger fauchte, und hielt sie möglichst weit von sich ab, während er sich würdevoll entfernte. Stephen nahm Rosalind auf die Arme. »Es ist an der Zeit, meine zweite Schwelle zu überqueren. «
Lachend ließ sie sich von ihm ins Haus tragen. »Dann habe ich jetzt noch drei vor mir, denn auf die Jagdhütte werde ich wohl verzichten. «
»Ein weiser Entschluß. « Er stellte sie auf dem glänzenden Marmorboden ab und küßte sie, bis sie weiche Knie hatte. Als er sich endlich widerwillig von ihren Lippen löste, lag ein zärtliches Lächeln auf seinem Gesicht. »Willkommen in Ashburton House, Herzogin. «
Rosalind konnte wieder einmal kaum glauben, daß ein so lebensprühender Mann sterbenskrank sein sollte, aber sie verdrängte diesen Gedanken rasch, um nicht in Tränen auszubrechen.
Stephen führte sie auf die Treppe zu. »Hättest du Lust, morgen abend Edmund Kean im Drury Lane Theater zu sehen? «
»Das wäre wunderbar! « strahlte Rosalind. Sie wollte sich nicht anmerken lassen, wie unbehaglich sie sich in diesem Prunkbau fühlte, aber sie schickte ein stummes Stoßgebet zum Himmel, daß ihr Londonaufenthalt sich nicht allzusehr in die Länge ziehen würde. Wie sollte eine unbedeutende Provinzschauspielerin hier jemals heimisch werden?
Tag 39
Als Stephen am ersten Morgen in London aufwachte, trommelte Regen
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