Fallen Angel 07 Tanz der Rose
jedenfalls nach Ansicht von Dr. Blackmer. Sobald Stephen das erfahren hatte, verließ er Ashburton Abbey ganz allein, ohne jemandem zu sagen, wohin er wollte und wann er zurückkommen würde. Blackmer hat mir schließlich geschrieben, und seitdem sind wir auf der Suche nach Stephen. « Er lief im Salon hin und her. »Es ist fast so, als jagten wir einem Irrwisch hinterher! Nicht einmal Luden mit seinen vielen Beziehungen konnte uns weiterhelfen. «
Rafes Miene hatte sich verdüstert. »Das tut mir wahnsinnig leid. Könnte der Arzt sich irren? «
»Wer weiß? Blackmer sagt nicht viel, aber es spricht Bände, daß er darauf bestanden hat, mich zu begleiten. Seine Nervosität wächst von Tag zu Tag. Ich glaube, er befürchtet, daß wir Stephen nicht finden werden, bevor... « - Michael hatte Mühe, den Satz zu vollenden -»... bevor alles vorbei ist. «
Rafe fluchte selten, aber jetzt mußte er seinem Zorn auf das Schicksal irgendwie Luft machen.
Mit einem Funken Hoffnung in der Stimme fragte Michael: »Du hast gesagt, Stephen hätte nicht krank ausgesehen? «
Der Herzog zögerte. »Es war dunkel, als ich mich mit ihm unterhalten habe. Er kam mir ein bißchen mager vor, aber ich dachte mir nichts dabei, weil er ansonsten einen so fröhlichen Eindruck machte. «
»Glaubst du, daß er immer noch mit dieser Wanderbühne unterwegs ist? «
»Vielleicht... obwohl er damals sagte, daß er die Truppe bald verlassen würde. « Rafe runzelte die Stirn. »Einige Tage später fragte er schriftlich an, ob ich einen zuverlässigen Mann hätte, der für ihn einige Aufträge in London ausführen könnte. Ich habe ihm meinen stellvertretenden Verwalter geschickt, und Gardiner war drei oder vier Tage unterwegs. «
»Weißt du, was der Mann in London erledigen sollte? «
»Ich habe ihn nicht gefragt, weil es mich ja nichts anging. Jetzt sieht die Sache natürlich anders aus... Vielleicht erfährst du von Gardiner, was dein Bruder vorhatte... «
Der Herzog erteilte einem Diener den Auftrag, den stellvertretenden Verwalter herbeizuholen. Als die beiden Freunde wieder unter sich waren, sagte Rafe nüchtern: »Warum wartest du eigentlich nicht einfach ab, bis dein Bruder zurückkommt? Er kam mir immer bewundernswert ausgeglichen vor, und irgendwann wird er sich bestimmt wieder auf seine Pflichten besinnen. «
»Da bin ich mir nicht mehr so sicher! Er ist jetzt schon seit über einem Monat spurlos verschwunden. Blackmer hält es zwar für ausgeschlossen, daß Stephens Verstand durch die Krankheit in Mitleidenschaft gezogen wurde, aber ich selbst finde sein Verhalten so befremdlich, daß ich das Schlimmste befürchte. « Michael schnitt eine Grimasse. »Ohne seinen Kammerdiener wegzureiten... unter einem falschen Namen mit einer Wandertruppe aufzutreten... Das ist einfach unglaublich, obwohl Stephen immer eine besondere Vorliebe für das Theater hatte! «
»Du mußt es aber wohl oder übel glauben. « Der Herzog leerte seine Teetasse und stellte sie ab. »Gibt es irgendwelche besonderen Gründe, weshalb du Ashburton so schnell wie möglich finden mußt? «
Michael blieb an einem Fenster stehen. »Es gibt eine ganze Menge praktischer Gründe, aber die sind mir nicht so wichtig. « Er starrte in den grauen Regen hinaus. »Ich ... ich habe mich noch nicht damit abgefunden, daß mein Bruder sterbenskrank sein soll. Ich muß ihn mit eigenen Augen sehen, um herauszufinden, ob es stimmt oder ob Blackmer nur ein pessimistischer Quacksalber ist. Und falls sein Zustand tatsächlich bedenklich ist, möchte ich ihn von Ian Kinlock untersuchen lassen. Der Mann hat mir das Leben gerettet - vielleicht kann er das gleiche für Stephen tun. «
»Und wenn ihm kein Mensch mehr helfen kann? « fragte Rafe ruhig.
»Dann möchte ich mich wenigstens von ihm verabschieden. « Michael schluckte. »Ich will ihm sagen, wieviel er mir in den letzten zwei Jahren bedeutet hat.
Kenyons sind im allgemeinen zäh, deshalb dachte ich, uns blieben noch 30 oder 40 Jahre Zeit für Unterhaltungen. « Er rieb sich den verkrampften Nacken. »Es ist interessant, wie verschieden Freundschaften sein können. Du, Luce, Nicholas und ich - wir sind zusammen aufgewachsen und kennen voneinander die meisten dunklen Geheimnisse. Ich vertraue euch dreien hundertprozentig. Aber Stephen... er ist mein Bruder, und wir sind nicht nur durch die Blutsbande, sondern auch durch Kindheitserinnerungen und Temperament eng miteinander verbunden. Manchmal ist das unangenehm, und wir hatten
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