Fallen Angel 07 Tanz der Rose
eingeschlagen. Sobald sie die kleine Kirche auf der Landzunge erreichte, würde sie umkehren, nahm sie sich vor.
Verwitterte Steine zeugten davon, daß die Kapelle seit Jahrhunderten allen Stürmen trotzte. Weil die Tür nicht abgeschlossen war, beschloß Rosalind, einen Blick ins Innere zu werfen. Kaum eingetreten, blieb sie wie angewurzelt stehen und starrte die vertraute Gestalt an, die in sich zusammengesunken auf der hintersten Bank saß. Das Blut gefror ihr in den Adern. Lieber Gott, Stephen konnte doch nicht... er konnte doch nicht...
Dann hob er den Kopf und sah sie. Sobald ihre Blicke sich trafen, wurde ihr klar, daß er wieder einen schweren Anfall gehabt haben mußte, denn seine Augen waren von einem stumpfen Grau, und er schien seit der vergangenen Nacht um zwanzig Jahre gealtert zu sein. Was aber noch schlimmer war - sie spürte eine emotionale Distanz, so als stünde er plötzlich auf der anderen Seite eines tiefen Abgrunds, den sie nicht überbrücken konnte.
Dieser Gedanke war fast so erschreckend wie ihre anfängliche Angst, daß er gestorben sein könnte. Während sie ein Stoßgebet zum Himmel schickte, daß ihre Intuition falsch sein möge, streifte sie die Kapuze ab und lächelte strahlend. »Guten Morgen! Ich habe ebenfalls einen Spaziergang gemacht und gehofft, dich unterwegs zu treffen. « Sie setzte sich neben ihn und griff nach seiner Hand.
Sein Blick schweifte zum Altar, und seine Finger lagen schlaff in ihrer Hand. Zutiefst deprimiert dachte sie, daß sie letzte Nacht Ehrlichkeit vereinbart hatten - und jetzt, nur wenige Stunden später, täuschte sie schon wieder Heiterkeit vor!
Vielleicht hatte er ihre törichten Worte aber gar nicht zur Kenntnis genommen, denn er fragte plötzlich tonlos: »Rosalind, hast du Angst vor dem Tod? «
Sie wußte, daß Stephen eine aufrichtige Antwort brauchte. »Ich habe Angst vor Schmerzen«, sagte sie langsam. »Und weil ich sehr gern lebe, könnte man wahrscheinlich sagen, daß ich Angst vor dem Sterben habe. Aber vor dem Tod als solchem habe ich seltsamerweise keine Angst. «
»Warum nicht? Glaubst du an Himmel und Hölle? An Engel mit Flügeln und an Teufel mit Mistgabeln? « Seine Stimme klang sarkastisch.
»Ich... ich weiß nicht. « Rosalind seufzte, weil sie sich schrecklich dumm vorkam. »Ich wollte, ich hätte bessere Antworten, aber ich habe mir nie den Kopf über Religion zerbrochen. «
Stephen verzog bitter den Mund. »Ich denke in letzter Zeit sehr viel darüber nach. «
»So wie du dich anhörst, scheinen deine Gedanken nicht befriedigend zu sein. «
»Religion ist ein Betrug! « brach es aus ihm heraus. »Sie wurde erfunden, um Menschen Hoffnung zu geben, die im Elend leben. « Seine Lippen wurden schmal. »Nur Narren können sich damit trösten! «
»Das stimmt nicht«, protestierte Rosalind. »Viele weise Männer und Frauen waren gläubig. Ich persönlich denke, daß die Welt viel zu großartig und kompliziert ist, um ein reines Zufallsprodukt sein zu können. «
Er führte ihre Hand an seine Lippen und küßte die Knöchel. »Beweise mir, daß es ein Leben nach dem Tod gibt, Rosalind, und ich werde dir ewig dankbar sein. « Er lächelte schwach. »Das war nicht spöttisch gemeint, auch wenn es sich so anhören mag. «
Mit Tränen kämpfend, preßte sie seine Hand an ihre Wange. Letzte Nacht war er ein glühender Liebhaber gewesen, so lebendig, so kraftvoll... Heute morgen war er ein verzweifelter Sterbender.
Stephen ließ ihre Hand los und stand auf. »Du zitterst vor Kälte. Höchste Zeit, daß du an ein warmes Kaminfeuer kommst. «
Rosalind nickte und rutschte aus der Bank. Als Stephen ihr zur Tür folgen wollte, taumelte er und mußte sich an der Lehne festhalten. Erschrocken drehte sie sich um. »Stephen, es geht dir nicht gut. Bleib hier, ich lasse dich mit der Kutsche abholen. «
»Nein! « Er richtete sich mit grimmiger Miene auf. »Ich fühle mich ausgezeichnet. «
»Lügner! « Sie wollte sich nicht über seine Wünsche hinwegsetzen, aber auch nicht riskieren, daß er unterwegs zusammenbrach. »Bitte warte hier. Ich werde in einer halben Stunde mit dem Kutscher zurückkommen. «
Sein Blick wurde eisig. »Diese Ehe war ein Fehler«, erklärte er barsch. »Kehr zu deiner Familie zurück und behalte mich so in Erinnerung, wie ich gestern war. «
Sie starrte ihn fassungslos an. »Du schickst mich am Tag nach unserer Hochzeit zurück? «
»Mach dir keine Sorgen - ich werde meine finanziellen Versprechen
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