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Fallen Angels 01 - Die Ankunft

Titel: Fallen Angels 01 - Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Ward
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damit nach oben gegangen und hatte es lange in der Hand gehalten. Er hatte die Frau auf dem Bild sofort geliebt, weil sie aussah, als würde sie sich niemals betrinken oder schreien oder jemanden schlagen. Und um sie in Sicherheit zu bringen, hatte er das Bild vor seinen Eltern versteckt, indem er es möglichst auffällig aufbewahrte und gut sichtbar an den Spiegel klemmte - denn wenn seine Mutter in einem ihrer Anfälle sein Zimmer durchwühlte, beschränkte sie sich ausschließlich auf die Schubladen und den Schrank und das, was unter dem Bett lag.
    Jetzt endlich hatte Vin seine Antwort.
    Während er das Bild anstarrte, stellte er fest, dass Marie-Terese exakt so aussah wie die Madonna auf dem Bild.

Zweiundzwanzig
    Sorgfältig und selbstbewusst bearbeitete Jim das Stück Holz mit seinem Messer. Auf der Zeitung, die er auf dem Fußboden ausgebreitet hatte, wuchs der Späneberg. Daneben lag Hund und beobachtete ihn aus seinen großen braunen Augen, er schien voll und ganz nachvollziehen zu können, warum man solch ein Verhalten einem Stock gegenüber an den Tag legte.
    »Das wird eine Figur für mein Schachspiel.« Jim deutete mit dem Kopf auf den Schuhkarton, den er im Laufe des vergangenen Monats angefüllt hatte, dann musterte er die im Entstehen befindliche Figur. »Ich glaube, das wird ein … eigentlich habe ich keine Lust mehr auf Bauern. Das wird die Dame.«
    Das Holz für die Schnitzereien hatte Jim direkt auf dem Grundstück aufgesammelt, als starke Winde diverse Äste von den Eichen abgebrochen und den Boden damit übersät hatten. Sein Hobby betrieb er langsam, aber stetig, immer mal wieder stellte er ein paar Figuren fertig. Als Werkzeug diente ihm ein Jagdmesser, das ihm vor langer Zeit sein befehlshabender Offizier geschenkt hatte. Es war ein Meisterstück der Waffenschmiedekunst, trügerisch unscheinbar, ohne verräterische Kennzeichen, Seriennummer oder Initialen; nichts wies darauf hin, dass es von Hand hergestellt war, von einem Experten für einen Experten. Und Jim kannte das Ding in- und auswendig - die gefährliche Edelstahlklinge, den mit Leder umwickelten Griff, der durch seinen eigenen Schweiß nachgedunkelt war.
    Jetzt hielt er es hoch und betrachtete das Blitzen des Deckenlichts auf der Patina der Schneide. Komisch, dachte er, hier in dieser Miniwohnung, wo es benutzt wurde, um ein Stück Holz in eine Spielfigur zu verwandeln, war es einfach nur ein Messer. Unter anderen Umständen war es eine tödliche Waffe gewesen.
    Es kam alles auf die Bestimmung an, nicht wahr?
    Er wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Die Klinge machte ein leise schabendes Geräusch, als er sie mit dem Daumen über das Holz auf sich zuzog, jeden Strich sorgfältig führend, Schicht für Schicht die Schachfigur freilegend, die darunter eingeschlossen war.
    Viele Stunden hatte er in den letzten zwanzig Jahren auf diese Art und Weise verbracht: Allein. Ohne Radio, ohne Fernseher. Nur mit einem Stück Holz und seinem Messer. Er hatte Vögel und Tiere und Sterne geschnitzt, Buchstaben, die keine Worte ergaben. Gesichter und Häuser geschaffen. Bäume und Blumen. Dieses Hobby hatte viele Vorteile. Billig, leicht überall auszuüben, und seine Klinge hatte er ohnehin immer bei sich gehabt. Egal, wo er gerade war.
    Pistolen waren gekommen und gegangen. Andere Waffen ebenfalls. Befehlshabende Offiziere gleichermaßen.
    Aber das Messer war immer bei ihm geblieben. In den Seitenflächen hatte man sich spiegeln können, als er es einst bekam, und Jims erste Amtshandlung war gewesen, es aus seinem Quartier mit nach draußen zu nehmen und mit Erde einzureiben. Den Hochglanz zu trüben hatte, wie auch das Schärfen der beiden Schneiden, dazu beigetragen, seine Nützlichkeit zu vergrößern.
    Diese Waffe hatte ihn nie im Stich gelassen. Und auf die Gefahr hin, sich selbst zu loben, man konnte damit verdammt schöne Holz…
    Sein Handy klingelte. Er legte den Eichenzweig beiseite, behielt das Messer aus Gewohnheit aber in der Hand und ging zum Bett, wo das Telefon lag.
    Beim Aufklappen sah er, dass es ein unbekannter Teilnehmer war - er wusste sofort, wer das war.
    Mit dem Daumen drückte er die grüne Taste und hielt sich das Handy ans Ohr. »Ja?«
    Stille. Gefolgt von dieser tiefen, zynischen Stimme: »An welcher Figur arbeitest du gerade?«
    Drecksack. Der Drecksack Matthias wusste immer zu viel. »An der Dame.«
    »Alte Gewohnheiten sind schwer abzulegen.«
    Genau wie ehemalige Chefs. »Du hattest doch gesagt, ich soll dich nicht

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