Fallen Angels 01 - Die Ankunft
rechtfertigt.« Er schüttelte den Kopf. »Ist mir scheißegal, was im Einzelfall los ist - ein Mann sollte nie, niemals die Hand gegen eine Frau erheben.«
Marie-Terese legte ihre Wange auf die Knie und sah ihn an. »Nicht alle Männer folgen dieser Philosophie. Und nicht alle Frauen wehren sich, wie Ihre Mutter es getan hat.«
Beim Klang eines Knurrens hob sie überrascht den Kopf … was ihr bestätigte, dass tatsächlich er das tiefe, gefährlich klingende Geräusch verursacht hatte.
»Sagen Sie mir, dass Sie nicht von sich selbst sprechen«, brummte er finster.
»O nein …«, entgegnete sie rasch. »Aber aus meiner Ehe auszubrechen war hart. Nachdem ich meinem jetzt Exmann mitgeteilt hatte, dass ich ihn verlassen würde, hat er unseren Sohn entführt und ist mit ihm quer durchs Land gezogen. Ich wusste nicht … wo mein Kind war oder was mit ihm geschah … drei Monate lang. Drei Monate, ein Privatdetektiv und mehrere gute Anwälte waren nötig, um mich aus der Ehe und von ihm zu befreien. Das alles habe ich getan, um dafür zu sorgen, dass mein Sohn in Sicherheit war und noch immer ist.«
Allmählich formte sich ein klares Bild, dachte Vin. Und er war erleichtert, dass Marie-Terese nicht zu allem Überfluss auch noch verprügelt worden war. »Muss einen Haufen Geld gekostet haben.«
Sie nickte und legte den Kopf wieder auf die Knie, dann hob sie den Blick. »Mein Exmann hatte ziemliche Ähnlichkeit mit Ihnen. Sehr reich, mächtig … attraktiv.«
Tja … Scheiße. Es war ja super, dass sie ihn attraktiv fand, aber wohin das unweigerlich führen würde, gefiel ihm weniger. Wie sollte er sie davon überzeugen, dass er keineswegs …
»Aber so etwas hätte Mark niemals getan«, fuhr sie ruhig fort. »Er hätte sich niemals gestattet, sich so zu … entblößen. Danke dafür … das ist tatsächlich das Netteste, was je ein Mann für mich getan hat.«
Als Vin die Hand hob, tat er es extra langsam, damit Marie-Terese genau verfolgen konnte, wo sie sich gerade befand. Und als er sie ihr dann auf die Wange legte, gab er ihr ausreichend Zeit, um auszuweichen.
Was sie aber nicht tat. Sie sah ihm nur in die Augen.
Sekunden dehnten sich zu Minuten, und keiner von beiden wandte den Blick ab. In der dichter werdenden Stille beugte Vin sich vor, und Marie-Terese teilte die Lippen, hob den Kopf an, als wollte sie seinen Mund genauso spüren, wie er ihren spüren wollte.
Doch im letzten Moment küsste er sie nur auf die Stirn. Dann zog er sie in seine Arme und hielt sie ganz fest an sich gedrückt. Ihr Kopf ruhte an seiner Brust, und er streichelte ihr in großen, bedächtigen Kreisen den Rücken. Das erschauernde Seufzen, das sie ausstieß, bedeutete eine viel tiefer gehende, viel intimere Kapitulation, als eine körperliche Hingabe es je hätte tun können, und er nahm das Geschenk ihres Vertrauens mit der gebührenden Ehrfurcht an.
Das Kinn leicht auf ihren Scheitel gestützt, blickte Vin sich in seinem alten Zimmer um … und fand die Antwort auf die Frage, die er sich seit ihrer allerersten Begegnung immer wieder stellte.
Im Rahmen des Spiegels steckte neben dem anderen Krimskrams ein Madonnenbildchen. Auf der Abbildung hatte die Jungfrau pechschwarze Haare und leuchtend blaue Augen, und sie war wunderschön, das Gesicht nach unten geneigt, den goldenen Heiligenschein über dem Kopf, die leuchtende Aureole umrahmte ihre gesamte Gestalt.
Das Bild hatte er vor langer, langer Zeit von einem dieser Evangelikalen bekommen, die immer an der Tür klingelten.
Wie üblich war der einzige Grund, ihm aufzumachen, damals gewesen, dass seine betrunkene Mutter es sonst getan hätte, und Vin konnte die Schande nicht ertragen, dass ein Fremder sie in ihrem schmutzigen Morgenmantel und mit den zottigen Haaren sähe. Der Mann vor der Tür hatte einen schwarzen Anzug getragen und so ausgesehen, wie Vin sich seinen eigenen Vater gewünscht hätte - ordentlich, sauber, gesund und gelassen.
Vin hatte ihm vorgelogen, seine Eltern seien nicht zu Hause, und als der Mann an ihm vorbei ins Wohnzimmer geschaut hatte, behauptete er, das sei nicht seine Mutter, sondern eine kranke Verwandte.
Die Augen des Wanderpredigers hatten einen kummervollen Ausdruck angenommen, als wäre ihm diese Situation nicht fremd, und er hatte sich seinen üblichen Sermon gespart, einfach seine Karte rübergereicht und Vin eingeschärft, die Nummer auf der Rückseite anzurufen, falls er mal eine Zuflucht bräuchte.
Vin hatte das Geschenk angenommen, war
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