Fallen Angels 02 - Der Dämon
breitete sich in ihm aus wie ein Unkraut, das Wurzeln schlägt und wächst und gedeiht. Er konnte den Kopf nicht mehr oben halten, ließ ihn auf den Stein sinken und atmete einfach nur. Dumpf nahm er wahr, dass die Luft gesättigt war vom Kupfergeruch frisch vergossenen Blutes und dem beißenden Duft noch rauchender Kerzendochte.
»Sissy«, sagte er in die Dunkelheit. »Ich bin hier ...«
Er hatte keine Ahnung, ob sie ihn hören konnte, und es kam auch keine Antwort. Nur ein unheimliches, zähflüssiges Geräusch ... ohne Zweifel die Seelen, die sich aus ihrem Gefängnis zu befreien versuchten.
Die Vorstellung, dass sein Mädchen dort gefangen war, war schrecklich für ihn.
Und auch, dass sie gesehen hatte, wie er aussah.
Bei dem Gedanken empfand er einen stechenden Schmerz, als hätte ihm jemand ein Brecheisen in den Brustkorb gerammt. Mein Gott, dieses arme Kind ...
Ein plötzlicher Gefühlsansturm überspülte ihn wie eine Flutwelle: Nackt, gebrochen und schmutzig wie er war, rollte Jim sich auf der Seite zusammen und weinte mit tiefen, würgenden Schluchzern, die Tränen heiß und salzig auf der wunden Haut seines Gesichtes.
Was ihm selbst zustieß, war ihm schon immer egal gewesen. Immer schon. Aber sein Versagen ... sein Versagen war unerträglich. Jetzt waren es schon zwei Frauen, die er nicht zu retten in der Lage gewesen war: seine geliebte Mutter und Sissy ... Beide Male war er zu spät gekommen; beide Male war die Tat schon geschehen, bevor er eintraf.
Mit schrecklicher Deutlichkeit sah er seine Mutter auf dem Küchenfußboden, geradezu abgeschlachtet ... und Sissy über der Wanne.
Und ein weiteres Bild von Sissy, von gerade eben, wie sie versuchte, die Dämonin abzuwehren.
Es war einfach zu viel für ihn, die Last seines Versagens zu groß, er konnte es nicht aushalten, konnte nicht mehr weiterkämpfen ...
Beim Klang seines Namens öffnete er die Augen und dämpfte langsam das Schluchzen.
Mit einer ungeheuren Anstrengung drehte er den Kopf und blickte auf.
Weit, weit, weit oben, eine Galaxie entfernt von der Stelle, auf der er lag, sammelte sich ein Lichtpunkt und wurde stärker, begann erst als winziges Flimmern eines einzelnen Lämpchens einer Weihnachtslichterkette ... und wuchs dann auf eine Glühbirne von fünfundzwanzig, sechzig, hundert Watt an.
Die Lichtquelle schwebte langsam zu ihm herab, mit der Geschwindigkeit und Zielstrebigkeit einer Feder, die durch stille Luft fällt ... eines Löwenzahnschirmchens, das ein Kindermund fortbläst ... eines Ahornsamens, der auf einer sanften Brise segelt ...
Die Kluft zwischen seiner gewaltigen Verzweiflung und dem zarten Flug des Lichts war zu groß, sein Geist konnte sie nicht überspannen. Also schloss Jim die Augen, sah nicht mehr weiter zu und gab sich ganz dem gelegentlichen Erzittern seines geschundenen Körpers hin.
»Jim.«
Eine männliche Stimme. Über ihm.
Vorsichtig zog er die Lider hoch und sah, dass das Licht zu einem dunkelhaarigen Mann mit prächtigen goldenen Flügeln geworden war.
Colin.
Der Erzengel. Nigels Nummer zwei.
»Hey, Kumpel«, sagte der Mann, als er sich neben ihn kniete. »Ich bin gekommen, um dich hier herauszuholen.«
Irgendwoher - woher wusste Gott allein - nahm Jim genug Kraft zum Sprechen. »Nimm sie an meiner Stelle. Lass mich hier ... nimm sie mit. Sissy. Das Mädchen ...«
»Das kann ich nicht tun. Ich sollte eigentlich gar nicht hier sein.« Der Engel beugte sich vor und nahm Jims gepeinigten Körper auf den Arm. »Aber du wirst ein wenig Zeit brauchen, um dich zu erholen, ehe du auch nur wieder aufrecht sitzen, geschweige denn deinen Arsch selbst hier herausschaffen kannst. Und der Krieg geht solange ohne dich weiter.«
Kräftemäßig hatte er dem nichts entgegenzusetzen, aber lieber Gott, er wüsste Sissy lieber meilenweit von hier entfernt. »Lass mich hier«, stöhnte er.
»Nicht um dein Leben. Du willst Sissy befreien? Dann besieg Devina. So beendest du diesen Alptraum für dein Mädchen.«
Als sie sich langsam in die Luft erhoben, kippte Jims Kopf zur Seite, und er beobachtete, wie sie höher und höher stiegen, vorbei an Meter um Meter - ach was, Kilometer - der schwarzen Wände. Unterwegs erhellte Colins leuchtende Gestalt die sich verschiebende, aufgewühlte Oberfläche, und Gesichter drückten sich von innen gegen das undurchsichtige, flüssige Hindernis, als wollten jene, die dort gefangen waren, sie beide sehen, zu ihnen gelangen, sich ihnen in ihrer Flucht anschließen. Aus allen
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