Fallen Angels 03 - Der Rebell
muss wissen, wofür du zu haben bist.«
Scheiße, wahrscheinlich war es zu früh, um den Burschen zu fragen, was er zum Mittagessen wollte, geschweige denn, ob er fit für den Kampf war. Aber den Luxus, ihre Gefühle auszuloten und problemorientierte Gespräche zu führen, hatten sie einfach nicht. Das hier war der verdammte Krieg.
Als Adrian nur etwas in dem Stil murmelte, das Ganze sei »nicht richtig«, wusste Jim, dass er den Kollegen aufrütteln musste.
»Jetzt hör mir mal gut zu«, sagte er langsam und deutlich. »Devina hat das absichtlich getan. Sie hat ihn dir genommen, um dich damit außer Gefecht zu setzen. Das ist Strategie-Grundkurs: isolieren. Mich von euch beiden … dich von der Welt. Ob es funktioniert, liegt nur an dir.«
Adrians Blick wechselte von Jim zu der Tür, die er hinter sich geschlossen hatte. »Wie kann etwas so … Gewaltiges so schnell passieren?«
Das versetzte Jim in seine eigene Vergangenheit zurück, in eine Küche, die er so gut gekannt, an einen blutigen Schauplatz, den er nie vergessen hatte: Seine Mutter lag sterbend in ihrem eigenen Blut und befahl ihm, zu rennen, so schnell und so weit er nur konnte …
Er konnte so gut nachvollziehen, was Adrian gerade umtrieb: Die schreckliche Erkenntnis, dass die Pfeiler, auf denen der eigene Himmel ruhte, doch nur aus Papier anstatt aus Stein waren.
»Katastrophen passieren nun einmal.«
Eine Weile herrschte Stille, dann ertönte ein leises Ticken auf dem Boden. Hund, der sich weitgehend abseits gehalten hatte, humpelte zu Adrian hinüber, und als er bei ihm ankam, setzte er sich auf den Stiefel des Engels und lehnte den Kopf an sein Schienbein.
»Ich bin nicht wütend«, sagte Adrian schließlich. »Ich bin … gar nichts.«
Das würde sich ändern, dachte Jim. Die Frage war nur, wann.
»Bleib hier bei ihm«, sagte Jim. »Ich muss los. Ich will DelVecchio nicht allein lassen.«
»Ja … ja.« Adrian bückte sich und hob Hund hoch. »Ja.«
Dann ging er zur Couch, ließ sich nieder, setzte das Tier auf seinen Schoß und starrte unverwandt die Tür zu dem Verschlag an.
»Ruf mich an«, sagte Jim, »und ich bin in einer Sekunde bei dir.«
»Mach ich.«
Mein Gott, Adrian war wie ein unbelebter, aber atmender Gegenstand. Und Jims letzter Gedanke war, dass Devina mit dem Feuer spielte. Adrian würde aus seiner Benommenheit auf wachen … und dann bekäme sie die Quittung.
Nachdem er die Tür hinter sich zugezogen hatte, zündete Jim sich eine Zigarette an und blickte in den Himmel. Wolken ballten sich über der Garage zusammen, und unwillkürlich suchte er darin nach einem Bild oder Zeichen.
Es kam nichts.
Er rauchte seine Marlboro auf und wollte gerade abheben, als er hörte, wie in seiner Wohnung ein Radio angestellt wurde.
A-cappella-Gesang. Bon Jovis »Blaze of Glory«.
Wie passend.
Jim schwang sich in die Luft und folgte seinem Leuchtfeuer namens DelVecchio. Und er war schon auf halbem Weg zu seinem Ziel, als ihm auffiel …
… dass er gar kein Radio besaß.
Achtundzwanzig
»Hier, lass dir doch helfen.«
Reilly stellte die Füße zwischen zwei Felsbrocken in der Größe von Wohnzimmersesseln fest auf den Boden, bückte sich und streckte den Arm nach unten aus.
Veck blickte kurz zu ihr auf. »Danke.«
Ihre Handflächen trafen aufeinander, dann zog Reilly mit aller Kraft und legte ihr gesamtes Gewicht in den Griff. Trotzdem war es so, als würde sie eigenhängig ein Auto aus dem Graben schleppen, und wäre er nicht gleichzeitig gesprungen, hätte er sich sehr wahrscheinlich überhaupt nicht vom Fleck gerührt.
Als er bei ihr oben auf dem Plateau angekommen war, sahen sie sich um. Seit Stunden schon durchkämmten sie den ausgedehnten Abhang des Steinbruchs, leuchteten mit ihren Taschenlampen in niedrige Höhlen und unter Felsvorsprünge. Die Suchmannschaft hatte sich die steile Seite vorgenommen, und die Hundestaffeln vom Caldwell Police Department liefen mit ihren Tieren die hintere linke Seite und den oberen Rand ab. Die Minuten verstrichen langsam, quälend, die riesige Fläche des Gebiets hatte etwas Lähmendes.
Und das Unausgesprochene zwischen ihr und Veck, die Untertöne, waren auch nicht förderlich.
Mein Gott, sie hasste das alles. Besonders, dass sie nach der Leiche einer jungen Frau suchten.
»Hier ist noch eine Höhle.« Sie sprang von einem Felsbrocken und landete in der Hocke auf dem aufgeweichten Boden.
Von oben hatte das Gelände ja schon unwegsam ausgesehen; von Nahem war es ein einziger
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