Fallen Angels 03 - Der Rebell
blöde Frage war, befürchtete sie.
»Was wissen Sie von Vecks Vater?«, fragte Bails. »Über seine Morde?«
»Nur, was ich in der Ausbildung gelernt habe.«
Der Polizist sah wieder durch die Windschutzscheibe. »Wuss ten Sie, dass das erste Opfer seines Vaters an den Füßen aufgehängt und an Hals und Handgelenken ausgeblutet worden war? Außerdem wurde sie genau wie die junge Barten markiert. Auf dem Bauch.«
Reilly tastete nach dem Griff und stieß die Tür auf. Nicht nur wegen der frischen Luft. Sondern weil sie sich ernsthaft übergeben wollte.
»Tut mir leid.« Bails Stimme klang gequält.
»Mir auch«, krächzte Reilly, was ihre Gefühle nicht einmal annähernd beschrieb.
Sie starrte aufs Pflaster und wusste, dass sie reingelegt worden war. Und zwar gewaltig. Natürlich hatte Veck sich die Mühe gemacht. Sie war seine Fürsprecherin im Präsidium, sie war dafür zuständig, ihn auf Herz und Nieren zu prüfen und über seinen Verbleib in der Truppe zu entscheiden: Er hatte weiterarbeiten wollen, und sie war in der Position gewesen, ihm das zu ermöglichen.
»Gott sei Dank sind Sie da«, stieß sie hervor. Schade nur, dass sie Bails nicht ansehen konnte – sie schämte sich so wahnsinnig, derart übertölpelt worden zu sein. »Gott sei Dank haben Sie etwas gesagt.«
Sechsunddreißig
»Wie wär’s, wenn Sie mir erst mal was erzählen?«
Veck sprach leise und ließ Heron nicht aus den Augen. Die beiden waren um die Ecke des Wohnhauses gegangen und standen nun im Schatten eines stacheligen Strauchs.
Jims Blick war durchdringend und seine Stimme tief wie Kirchenglocken. »Du weißt schon alles. Alle Antworten, die du haben möchtest« – er legte Veck den Zeigefinger auf die Brust, genau oberhalb des Herzens – »sind da drin.«
Am liebsten hätte Veck ihm ein Mir doch egal, Arschloch hingeknallt. Aber er konnte nicht.
»Mein Vater will mich sehen«, entgegnete er stattdessen.
Heron nickte und holte eine Zigarette heraus. Als er Veck die Packung anbot, kämpfte der gegen seinen inneren Schweinehund: »Nein danke, ich hab aufgehört.«
»Schlau von dir.« Heron zündete die Kippe an. »Es wird folgen dermaßen ablaufen: Du wirst dich an einem Scheideweg wie- derfinden. Du wirst vor eine Entscheidung gestellt werden. Die Entscheidung, entweder etwas zu tun oder es zu unterlassen, eine Wahl zwischen zwei gegensätzlichen Möglichkeiten. An dieser Entscheidung wird alles gemessen werden: Was du bist und was du warst und was du sein könntest. Und die Folgen betreffen nicht nur dich allein; sie betreffen jeden. Es geht nicht nur einfach um Leben und Tod, es geht um die Ewigkeit. Deine. Die der anderen Menschen. Du darfst nicht unterschätzen, wie weit das reicht.«
Veck spürte, wie seine beiden unterschiedlichen Seiten sich bei diesen Worten voneinander abspalteten. Die eine Hälfte war zutiefst angewidert. Die andere …
Veck legte die Stirn in Falten. Blinzelte ein paarmal. Sah weg und wieder hin. So wahr Gott sein Zeuge war, er hätte schwören können, dass um Herons Schultern und Kopf herum ein schimmerndes Leuchten zu erkennen war.
Und diese seltsame Sinnestäuschung verlieh dem ganzen Albtraum Glaubwürdigkeit. Genau wie die Tatsache, dass der Kerl direkt hinter ihm gestanden hatte, als er ihn gebraucht hatte … und die fehlenden Fußabdrücke im Steinbruch … und die Lightshow im Treppenhaus der Bartens.
Veck legte sich eine Hand aufs Brustbein und rubbelte unsanft über den dunklen Schatten in seiner Brust. »Ich hab mich nicht darum geprügelt.«
»Das Gefühl kenne ich gut«, murmelte Heron. »In deinem Fall ist es so, dass du hineingeboren wurdest.«
»Sagen Sie mir, was ich bin.«
»Das weißt du schon.«
»Sagen Sie es trotzdem.«
Heron atmete langsam aus, der Zigarettenqualm stieg durch den goldenen Schimmer auf. »Das Böse. Du bist das menschgewordene Böse. Und in naher Zukunft – vielleicht schon heute, vielleicht morgen – wirst du aufgefordert werden, dich für eine Seite zu entscheiden.« Der Mann deutete mit der rauchenden Zigarette auf sich selbst. »Ich bin hier, damit du eine weise Wahl triffst.«
»Und wenn nicht?«
»Dann verlierst du.«
»Auf der Stelle?«
Heron nickte langsam und verzog das Gesicht. »Und ich habe gesehen, wo man hinterher landet. Kein schöner Anblick.«
»Was sind Sie?«
Herons Miene veränderte sich nicht. Ebenso wenig wie seine Haltung. Er hörte nicht einmal auf zu rauchen. Doch in einem Moment war er noch ein Mensch, im anderen
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