Fallen Angels 03 - Der Rebell
genau studiert – und tatsächlich war Veck dort gewesen, hatte alle katalogisierten Gegenstände durchforstet und im Anschluss in der Schachtel mit den noch nicht erfassten Stücken gewühlt. Das war seine Gelegenheit gewesen, und er hatte die linke Hand mehrfach in die Hosentasche gesteckt.
Natürlich war das kein hieb- und stichfester Beweis, aber zusammen mit Bails Aussage und der mangelnden Übereinstimmung der Listen reichte es zumindest, um ihn zu verhaften. Da er außerdem auf keine Anrufe reagierte, bestand eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit, dass sie recht hatten.
»Seien Sie bitte ganz ehrlich«, sagte Reillys Chefin. »Haben Sie Angst um Ihre persönliche Sicherheit?«
»Nein.« Vielleicht.
»Soll eine Streife heute Nacht Ihr Haus im Auge behalten?«
»Ich fahre heute zu meinen Eltern und übernachte dort.«
»Gute Idee. Und das mit der Streife machen wir trotzdem.« Die Frau legte Reilly eine Hand auf die Schulter. »Machen Sie sich keine Vorwürfe in dieser Sache.«
»Wie soll ich das nicht tun?«
»Man kann andere Menschen nicht kontrollieren.«
Aber man konnte sich entscheiden, ob man mit ihnen schlief oder nicht, verdammt noch mal. Um das Thema zu wechseln, sagte sie: »Sind Sie mit Bails schon fertig?«
»Ja, seine Aussage ist aufgenommen und abgeheftet. Sie können sie gerne lesen, es steht genau das darin, was er auch Ihnen erzählt hat. Er ist gerade erst vor Kurzem gegangen.«
»Das mache ich. Und keine Sorge, ja, ich verspreche, vor Mitternacht nach Hause zu fahren.«
Ihre Chefin war schon fast an der Tür, als Reilly ihr nachrief: »Wann werden Sie mit den Bartens sprechen?«
»Erst wenn alles andere geklärt ist. Diese armen Menschen sind schon durch die Hölle und zurück gegangen, und dass jetzt möglicherweise ein Polizist ihre Tochter getötet hat, wird es noch viel schlimmer machen. Besonders wenn in dem Zusammenhang auch noch der Name DelVecchio fällt.«
Und in Anbetracht des Umstands, dass Veck bei ihnen zu Hause gewesen war.
Da fielen ihr seine eigenen Worte wieder ein. Ich habe diesen Mann in das Haus eines Opfers mitgenommen.
Was für ein mieser Lügner er doch war.
»Rufen Sie mich an, wenn Sie reden wollen«, sagte ihre Chefin noch.
»Das mache ich. Und nochmals danke.«
Als sie allein war, dachte sie an Jim Heron, den » FBI -Agenten«, der ihnen die Höhle »gezeigt« hatte, in der sie Sissys Leiche gefunden hatten.
Die Szene hatte Veck wirklich brillant gespielt. So überrascht in dem Moment. So professionell hinterher.
Und was die fehlenden schlammigen Fußabdrücke auf dem Felsen betraf? Möglicherweise hatte Heron schon stundenlang dort gewartet, bis Veck Reilly in die richtige Richtung geführt hatte, wodurch seine Schuhsohlen getrocknet wären, bis er wegrannte. Und sie alle waren so fassungslos über den Leichenfund gewesen, dass niemand nach ihm gesucht hatte. Was ein schwerwiegender Fehler gewesen war.
Es war sonnenklar, dass Heron und Veck unter einer Decke steckten.
Reilly fluchte und konzentrierte sich wieder auf ihren Bildschirm. Rasch hatte sie die letzten Ohrringeinträge überprüft, und wie erwartet existierte keiner mit einer Taube. Genau wie Bails gesagt hatte.
In der zweiten Liste mit den unter dem Mikroskop erstellten Fotos dauerte es hingegen nur einen Moment, den Ohrring zu finden. Die Abweichung war noch nicht bemerkt worden; das würde sie aber bald.
»Was für ein Chaos«, brummelte sie, während sie Sissys Akte öffnete, um die Autopsiefotos noch einmal zu untersuchen.
Mein Gott, es tat geradezu körperlich weh, sie zu betrachten.
Im Laufe ihrer Jahre bei der Polizei hatte sie eine Menge Grausiges gesehen, aber die Sache mit Sissy ging ihr an die Nieren. Vielleicht weil sie sich persönlich auf den Fall eingelassen hatte, dank diverser eigener, kriminell dummer Entscheidungen.
So verstört sie war, konnte sie doch noch nicht gehen, also beschloss sie, noch ein bisschen Zeit im Internet totzuschlagen. Sie tippte den Namen »Thomas DelVecchio sr.« in die Google- Suchmaske ein und erhielt über eine Million Treffer in siebzehn Sekunden. Mehr oder weniger wahllos klickte sie sich durch die Liste und überflog einige der Blogs und Websites – was ihr binnen Kurzem so ungefähr jeden Glauben an die Menschheit raubte.
Nicht, dass das noch unbedingt notwendig gewesen wäre.
Aber diese ganze Bewunderung aus den falschen Gründen erschütterte sie, und sie musste sich fragen, wie viele dieser Menschen es wohl immer noch so
Weitere Kostenlose Bücher