Fallen Angels 03 - Der Rebell
sie ihm auch noch tun? Er saß ja bereits in der Todeszelle.
Wenn auch nicht mehr sehr lange.
Wie wohl Vecks Mutter gewesen war?
Das Klopfen an der Scheibe neben ihrem Kopf klang wie ein Pistolenschuss, und im Bruchteil einer Sekunde hielt sie ihre Dienstwaffe in der Hand und auf das Geräusch gerichtet.
Veck stand neben ihrem Wagen auf der Straße, die Hände erhoben, die nassen Haare im Schein der Laternen glänzend.
Sie senkte die Waffe und ließ fluchend das Fenster herunter.
»Schnelle Reflexe haben Sie«, murmelte er.
»Wollen Sie sich erschießen lassen?«
»Ich habe Sie mit Namen angesprochen. Zweimal. Sie waren völlig in Gedanken versunken.«
Dank der Vorstellung vorhin in seinem Badezimmer sahen das Flanellhemd und die Jogginghose überhaupt nicht wie ein Hindernis aus, die konnte man ohne Widerstand nach oben schieben oder herunterziehen. Aber wozu, sie hatte sowieso schon die gesamte Auslage in seinem persönlichen Supermarkt gesehen.
»Wollen Sie meine Klamotten jetzt?« Er hielt eine Mülltüte hoch.
»Ja, danke.« Sie nahm die Sachen durchs Fenster an und stellte sie auf den Boden des Beifahrersitzes.
»Stiefel auch?«
Als sie nickte, fragte er: »Kann ich Ihnen einen Kaffee bringen? Viel hab ich nicht in der Küche, aber ich glaube, einen sauberen Becher und Instantpulver finde ich noch.«
»Danke, nicht nötig.«
Es entstand eine Pause. »Gibt es einen Grund, warum Sie mich nicht ansehen?«
Ich hab dich gerade nackt gesehen, DelVecchio. »Überhaupt nicht.« Sie starrte ihm direkt in die Augen. »Sie sollten ins Haus gehen. Es ist kalt.«
»Die Kälte macht mir nichts aus. Bleiben Sie die ganze Nacht hier?«
»Hängt davon ab.«
»Ob ich hierbleibe, richtig?«
»Genau.«
Er nickte und blickte sich dann beiläufig um, als wären sie bloß Nachbarn, die über das Wetter plauderten. So ruhig. So selbstsicher. Genau wie sein Vater.
»Darf ich ehrlich zu Ihnen sein?«, fragte er unvermittelt.
»Das würde ich Ihnen raten.«
»Ich bin immer noch überrascht, dass Sie mich haben gehen lassen.«
Sie fuhr mit den Händen über das Lenkrad. »Darf ich auch ehrlich sein?«
»Sicher.«
»Ich habe Sie gehen lassen, weil ich wirklich nicht glaube, dass Sie es waren.«
»Ich war am Tatort, und ich hatte Blut an mir.«
»Sie haben den Notarzt gerufen, Sie sind nicht abgehauen, und ein solcher Mord ist eine ziemliche Sauerei.«
»Vielleicht habe ich mich gesäubert.«
»Soweit ich erkennen konnte, stand da keine Dusche im Wald herum.«
Stell. Ihn. Dir. Nicht. Nackt. Vor.
Da er den Kopf schüttelte, als wollte er widersprechen, kam Reilly ihm zuvor. »Warum wollen Sie mich unbedingt davon überzeugen, dass ich falschliege?«
Daraufhin hielt er den Mund. Zumindest für kurze Zeit. »Fühlen Sie sich auch sicher, wenn Sie mich beschatten?«
»Warum sollte ich nicht?«
Zum ersten Mal sickerte etwas Emotion durch seine kühle Miene, und Reilly blieb das Herz stehen: In seinen Augen lag Furcht, als traute er sich selbst nicht über den Weg.
»Veck«, sagte sie sanft, »gibt es etwas, was ich nicht weiß?«
Er verschränkte die Arme vor der breiten Brust und wiegte sich in den Hüften hin und her, als dächte er nach. Dann zischte er und rieb sich die Schläfen.
»Nichts«, murmelte er. »Tun Sie uns beiden doch einfach einen Gefallen und halten Sie die Waffe griffbereit.«
Ohne sich noch einmal umzusehen, überquerte er die Straße.
Er trug keine Schuhe, wie ihr auffiel.
Sie machte das Fenster zu und beobachtete, wie er ins Haus ging und die Tür schloss. Dann ging überall außer im Flur des oberen Stockwerks das Licht aus.
Sie setzte sich bequemer hin und starrte die vielen Fenster an. Kurz darauf lief ein riesenhafter Schatten ins Wohnzimmer – besser gesagt schien er etwas hinter sich herzuziehen. Eine Couch?
Dann setzte Veck sich hin, und sein Kopf verschwand, als streckte er sich aus.
Es war beinahe, als schliefen sie nebeneinander. Na ja, abgesehen von den Hauswänden, dem ungepflegten Rasenstück, dem Bürgersteig, dem Asphalt der Straße und dem Stahlkäfig ihres Crown Victoria.
Ihre Lider senkten sich, aber das lag nur an dem Winkel, in dem sie ihren Kopf hielt. Sie war nicht müde und machte sich auch keine Sorgen, einzuschlafen. Sie saß hellwach im dunklen Innenraum des Wagens.
Dennoch verriegelte sie die Türen.
Nur für alle Fälle.
Vier
Die Dämonin Devina stöckelte auf kaltem Beton auf und ab, allerdings nicht auf geradem Weg, sondern in Schlangenlinien.
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