Fallen Angels 03 - Der Rebell
gleichen Teilen Gut und Böse in sich trug – und Devina hatte im Laufe der Jahrhunderte gelernt, dass sich bei den Menschen immer das Böse durchsetzte. Ja, sie hatte angenommen, dass es eine total öde Nummer werden würde, ihn auf ihre Seite zu ziehen, wie sie es schon mit so vielen Männern und Frauen gemacht hatte, seit vor so langer Zeit die erste Stunde geschlagen hatte.
Doch stattdessen … war sie es, die in den Bann gezogen und verführt worden war.
Heron war einfach so … uneinnehmbar, unmöglich zu besitzen. Selbst als er sich ihr ausgeliefert und sie mit ihm gespielt hatte, ihre Helfershelfer ihn bedrängt hatten, ihre wahre Natur sich offenbarte … war er ungebrochen, unbeugsam, unnachgiebig geblieben.
Und diese Stärke machte ihn unerreichbar.
Das hatte sie noch nie erlebt. Bei niemandem.
Denn es lag in ihrem Wesen zu erobern. Sie war ein perfekter Parasit, sie schlich sich ein und vervielfältigte ihre Essenz, bis das, in was sie eingedrungen war, für immer in ihren Besitz überging.
Herons Widerstand war berauschend, eine Ohrfeige, frischer Wind. Aber er dämpfte auch die Bedeutung alles anderen.
Sie zog eine Schublade auf und nahm ein dünnes goldenes Armband heraus, an dem eine kleine Taube hing. Die Gravur war verschnörkelt und ganz zauberhaft. Von den Eltern für die Tochter. Mit einem Datum aus dem Vorjahr. Bla, bla, bla.
Sie hasste den Namen Cecilia. Wirklich wahr.
Diese bedeutungslose Jungfrau … was für ein Stachel in Devinas Fleisch. Die kleine Barten war dazu da gewesen, den Spiegel zu schützen. Und jetzt hatte diese Nervensäge irgendeine Verbindung mit Jim …
Gerade, als sie das zarte Andenken zerquetschen wollte, durchströmte sie ein warmer Hauch, als hätte die Hand eines Liebhabers nicht nur über ihre Haut gestrichen, sondern mitten durch Fleisch und Knochen hindurch.
Jim.
Es war Jim . Er rief sie .
Achtlos warf sie das Armband zurück in die Schublade, stieß diese mit der Hüfte zu und rannte zu einem verzierten Standspiegel, der ihr ausschließlich dazu diente, ihr Erscheinungsbild zu überprüfen. Im Gehen veränderte sie ihre Gestalt, nahm den Körper einer hinreißenden brünetten Frau an, mit Brüsten, die der Schwerkraft trotzten, und einem Hintern, auf dem man Bücher hätte abstellen können.
Sie schüttelte ihre Haare auf, strich sich den schwarzen Rock glatt und befand, er sei zu lang. Also zog sie den Saum durch Geisteskraft höher, drehte sich im Kreis und bewunderte ihre glatten Oberschenkel und vollkommenen Waden.
Plötzlich war sie lebendig .
Na ja, lebendig war streng genommen nicht das richtige Wort. Aber so fühlte sie sich: Von jetzt auf gleich hatte ihre Grabesstimmung sich in ein Hochgefühl verwandelt.
Trotzdem würde sie nicht kopflos werden.
Mit ihrem kurzen Rock, dem tiefen Ausschnitt und wallenden Haar stolzierte sie ins Badezimmer.
»Wie sehe ich aus?«
Sie drehte eine kleine Pirouette vor dem jungen Mann, der kopfüber in die Wanne hing. Leider hatte er nichts zu sagen, obwohl seine Augen offen waren.
»Ach, was weißt du denn schon.«
Sie bückte sich und tauchte die Fingerspitzen in das Blut, das stetig aus seiner Halsschlagader tropfte. Um nicht zu viel Zeit zu verlieren, strich sie eilig über den Türpfosten und den Fußboden und holte noch mehrmals Nachschub aus der Wanne. Die Reinheit seines Wesens bildete ein Siegel, das besser funktionierte als jede Alarmanlage, die ein Mensch jemals bauen konnte – zudem erlöste die Prozedur die Welt von einem weiteren Sterblichen.
Machte ihren Job einfacher.
Sie schloss sich mit Mr Plaudertasche ein und wandte sich dem uralten Spiegel zu, der in einem bereits seit Jahrhunderten und Aberjahrhunderten vor sich hin modernden, widerwärtigen Rahmen hing. Das Bild in der Bleiglasoberfläche waberte unablässig, Wellen von dunklem Grau und Schwarz wirbelten um einen Hintergrund in der Farbe von Schlamm. Der Spiegel war eine abscheuliche Pforte und ihr einziger Zugang zu ihrem Seelenbrunnen.
»Nicht weglaufen«, sagte sie zu dem Toten über der Badewanne. »Ich bin gleich zurück.«
Sobald sie durch die Spiegeloberfläche trat, wurde sie von einem kräftigen Sog ergriffen, dem sie sich widerstandslos ergab. Der Körper, den sie angenommen hatte, verzerrte sich gummiartig beim Passieren des Wurmlochs. Auf der anderen Seite kam sie am Fuß ihres Brunnens heraus, wurde von dem Wirbelsturm wieder ausgespuckt, brauchte aber keine Zeit, um sich zu erholen.
Sie glättete ihre Frisur,
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