Fallen Angels 03 - Der Rebell
diesem Augenblick unten auf der Erde.
Oh, welch schreckliche Wendung der Ereignisse. Eine furchtbare Destabilisierung.
Wie hatte das passieren können?
Die Vorstellung, einer dieser beiden Krieger könnte stürzen, hatte er tatsächlich nie in seine Planungen einbezogen: Er hatte Jim die gefallenen Engel zur Unterstützung gesandt, weil sie hart und widerstandsfähig und so ungeheuer tüchtig in der Verteidigung des Guten waren, das sie in sich selbst doch so oft herunterspielten. Und von den beiden hätte Edward überleben sollen: Er war der Umsichtige und Kluge, der seinen unbeherrschten und unbeherrschbaren Kameraden ausglich.
Doch das Schicksal hatte ihnen allen eins ausgewischt.
»Verdammt, verdammt … verdammt …«
Und es gab keine Möglichkeit, Edward zurückzubringen – zumindest keine, die Nigel beeinflussen konnte: Die Wiederauferstehung lag in den Händen des Schöpfers, und das letzte Mal, dass ein Engel zurückgeschickt wurde, war … noch nie vorgekommen.
Nigel tupfte sich das Gesicht mit einem Leinentaschentuch ab. Er hatte beide in die Waagschale geworfen, Edward und Adrian, wie Spielwürfel – und jetzt war Adrian, der Unberechenbare, verloren ohne seinen Kompass, seinen Anker, seinen Kapi tän. Und Jim, der bereits mit einer Ablenkung zu kämpfen hatte, war schlimmer dran als ganz allein: Er würde von nun an auf den anderen Engel aufpassen müssen.
Das war eine Katastrophe.
Und ein gutes Manöver von Seiten der Dämonin – doch wie war es passiert? Edward war stets wachsam gewesen. Was konnte ihn von seinen Instinkten abgelenkt haben?
Nigel setzte den Wasserkessel auf. Seine Hände zitterten bei dem Gedanken an das, was er herbeigeführt hatte. Edward hatte in dem nicht abgeschlossenen Teil dieses von Nigel beaufsichtigten Ortes in Sicherheit gelebt – gut, er hatte darauf gewartet, eingesetzt zu werden, das schon, und er war überglücklich gewesen, dass man ihm endlich verzieh, vor all den Jahren gegen die Regeln verstoßen und Adrian gerettet zu haben. Aber dennoch.
Ein großartiger Mann. Und jetzt war er fort.
So hätte es nicht kommen sollen.
Du bist nicht so mächtig, wie du glaubst, Nigel.
Er stützte die Hände auf die marmorne Oberfläche einer antiken Kommode; er konnte die Bürde auf seinem Herzen kaum tragen. Hätte er die beiden nicht aus ihrem jeweiligen Fegefeuer befreit, wäre all das nicht passiert.
Dabei war er sich seiner Entscheidung so anmaßend sicher gewesen.
Was hatte er nur getan …?
Da stand er, ohne jemanden vor oder hinter sich, allein mit seinen schrecklichen Gedanken und der Last seiner Taten, und dachte an Adrian. Auf sich allein gestellt. Unter Schmerzen. Im Krieg.
Es gab nur ein Wesen, an das Nigel sich in dieser grässlichen Einsamkeit wenden konnte. Und dass Colin nicht da war und – schlimmer noch – Nigel nicht zu ihm gehen konnte, machte ihn noch trauriger über die Lage, in der Adrian sich befand. Seine andere Hälfte zu verlieren war schlimmer als der Tod.
Es war Folter. Wobei es auch lehrreich war …
Im Verlaufe all seiner imaginierten Tage und Nächte, im unaufhörlichen Turnus seiner gespielten Mahlzeiten und künstlichen Krocket-Spiele, innerhalb des Konstrukts all dieser selbst auferlegten Struktur, die er aufbaute, um sich selbst und seine Erzengel in der Unendlichkeit ihres Daseins vor dem Wahnsinn zu bewahren, hatte Nigel sich nie dem Willen eines anderen gebeugt. Es lag nicht in seinem Wesen, so etwas zu tun.
Und doch besaß Colin einen Teil von ihm.
Im Gegensatz zu Adrian aber konnte er zu dieser anderen Hälfte gehen, konnte dort Beistand inmitten der Furcht und Einsamkeit und Reue suchen.
Adrian hätte diese Möglichkeit nie wieder: Ohne ein Wunder, das unmöglich zu gewähren war, würde er auf immer getrennt vom anderen Teil seiner selbst bleiben.
Du bist nicht so mächtig, wie du glaubst, Nigel.
Als die Pfeife des Kessels losschrillte, ließ er das Teewasser Teewasser sein und hastete in seinem Morgenmantel aus seinen Gemächern und quer über das Anwesen.
Dem Zyklus gehorchend, den er aufgestellt hatte und dem er befahl, lag die Nacht wie ein Samtumhang über der Landschaft. Vor ihm brannten lodernde Fackeln an den Zinnen und Türmen des Schlosses, und auf diesen flackernden Schein rannte er nun über das Gras zu.
Edward war verloren.
Doch Colin war hier.
Und zwischen ihnen war viel zu viel Rasen.
An den Mauern der Seelenherberge entlang lief er zur westlichsten Ecke des Baus und bog dann nach rechts ab.
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