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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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sogar noch näher heran.
    Lily saß auf der Türschwelle von Nummer zwölf, dem letzten bewohnten Haus in der Straße; die Leiche lag fast unmittelbar davor. So war sie den Polizisten nicht im Wege, befand sich aber an einer idealen Stelle, um zu beobachten, was sie machten. Der junge Polizist hob die Decke und schirmte den Sergeant ab, als dieser sich neben den Toten kauerte. Nachdem sie die Leiche wieder zugedeckt hatten, zeichneten sie mit Kreide ihre Umrisse nach. Der Sergeant zog ein Meterband aus der Tasche und maß nach allen Richtungen alles genauestens ab. Und jede Einzelheit schrieben sie in kleine schwarze Notizbücher.
    Dolly Brennan schwatzte pausenlos weiter. Es war erstaunlich, wie ungemein geduldig Sergeant O’Keefe war. Er hörte sich jedes einzelne Wort an. Nach einiger Zeit ging er sehr bedächtig und als folge er ihren Anweisungen ganz langsam über die Straße und zählte dabei. Lilys Herz setzte kurz aus, als er genau an der Stelle stehen blieb, wo das Päckchen gelegen hatte. Dolly redete heftig auf den Sergeant ein, der jedoch nicht weiter auf sie zu achten schien. Langsam ging er hin und her und scheuchte dabei die Gaffer beiseite. Er stellte sich in eine Linie mit dem Toten sowie dem Fenster der Brennans und ging in aufreizendem Schweigen von einer Straßenseite auf die andere. Dabei machte er einen äußerst ernsten Eindruck. Schließlich sprach er leise und eindringlich mit Dolly und schickte sie dann ins Haus zurück. Eine Minute später tauchte sie wieder auf; sie beugte sich aus dem Fenster wie zuvor und schaute triumphierend drein. Hinter ihr hörte Lily Mick Brennan seinem Ärger unmißverständlich Luft machen.
    »Teufel noch mal, Frau, willst du wohl von da draußen reinkommen und mich schlafen lassen. Was fällt dir eigentlich ein, dich um eine solche Zeit mit nichts auf dem Leib aus dem Fenster zu hängen? Die Leute werden glauben, ich hab dich nur wegen deinem Geld geheiratet!«
    Dolly achtete gar nicht auf ihn. Sie blickte auf die Gesichter hinunter, die zu ihr hinauf sahen, und dann direkt zum Sergeant.
    »Ich sag’s Ihnen doch, Herr Inspektor, ich sag Ihnen das ja nur, aber ich hab ihn mit eigenen Augen gesehen. Da ist er gestanden, unverschämt wie sonst was. Nicht eine Sekunde, nachdem er die arme Seele da unten umgebracht hatte.«
    Fromm bekreuzigte sie sich, und ein oder zwei Schaulustige taten es ihr nach. Die Augen aller waren jetzt auf Dolly gerichtet, und sie war so begeistert von sich, daß sie anfing, vor den Leuten Theater zu spielen. Voller Interesse beobachtete O’Keefe, wie sie von einer Seite auf die andere ging und sich immer weiter aus dem Fenster lehnte. Immer wieder bat er sie, ihm genau zu erklären, was sie, in eben diesem Augenblick sah. Schließlich sagte er ihr, wo sie hingehen solle, und schickte den jungen Polizisten hinauf, um sich hinter sie zu stellen.
    »Sagen Sie mir, was Sie jetzt sehen, Mrs. Brennan. Da drüben.« Er deutete auf seinen Helm, den er auf ein zerbrochenes Geländer unmittelbar hinter dem Toten gehängt hatte.
    »Die Leiche natürlich. Was glauben Sie denn, was ich sehe?« Es war ganz klar, Dolly konnte weder das Geländer noch den Helm sehen. Der junge Polizist hinter ihr schüttelte den Kopf. O’Keefe ging zu dem Geländer hinüber und stellte sich daneben hin.
    »Was hab ich auf dem Kopf, Mrs. Brennan?«
    »Ihre Haare.« Entzückt über ihre Schlagfertigkeit schaute Dolly in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.
    »Und was noch?«
    Dolly beugte sich so weit aus dem Fenster, daß sie beinahe kopfüber hinausfiel. Der junge Polizist packte sie am Nachthemd und zerrte sie ins Zimmer zurück. Dolly ließ sich jedoch nicht entmutigen.
    »Ihren Helm natürlich. Wird’s schon wärmer?« fragte sie, als spiele sie Fingerhutsuchen. Sergeant O’Keefe schlenderte zur Mitte der Straße und schaute zu ihr hinauf. Seinen Helm hielt er neben sich. Das Licht aus Dollys Fenster spiegelte sich auf seinem kahlen Kopf.
    »Vielen Dank, Mrs. Brennan, Sie waren uns eine große Hilfe. Würden Sie jetzt bitte den Garda auch mal rausschauen lassen. Danke, das war’s.«
    Er hält sie nur bei Laune, dachte Lily. Als er sich abwandte, wirkte er recht zufrieden. Nicht mit Dolly, das war offensichtlich. Mit sich selber.
    Jetzt wandte O’Keefe sich an die Nachbarn und fragte, wer sonst noch etwas gesehen hätte. Einige Hände schnellten in die Höhe, drei oder vier vielleicht, nur Frauen. Dolly Brennan, die wieder auf die Straße

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