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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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auch nur die geringste Beachtung, und bei dem Lärm, den der Motor machte, hätte sowieso niemand verstanden, worüber sie sprachen. Sie konnten ja kaum einander hören.
    »Also.« Hanora grub ihre Fingernägel in seine Hand.
    »Eines verstehe ich nicht. Warum hast du so lange gebraucht, um nach Hause zu kommen?«
    Wütend starrte Myles sie an. »Das hab ich dir doch gesagt. Ich habe mit dem alten Josh geplaudert. Dann habe ich mein Werkzeug genommen …« Seine Stimme verlor sich, er schlug die Hand vor den Mund und versuchte erneut, vom Lastwagen zu springen. Und er hätte es auch getan, hätte Hanora ihn nicht zurückgehalten. Er lehnte sich an sie, schloß die Augen und seufzte verzweifelt: »O mein Gott. Wo hab ich das nur fallen lassen?«
    »Darüber können wir uns später den Kopf zerbrechen«, erklärte sie zuversichtlich, aber unter der Decke drückte sie die Daumen. In der Werkzeugtasche stand sein Name. Armer dummer Milo.
    Fast hätte sie es vergessen: Er könnte ja sagen, er hätte es viel früher schon verloren oder an einem anderen Tag, nicht wahr? Oder er könnte behaupten, irgend jemand hätte es ihm gestohlen. Der alte Jude würde ihn bestimmt decken. Und außerdem machten sicherlich auch die Bomben etwas aus. Die Polizei hatte jetzt wahrhaft anderes im Kopf, als nach dem Mörder von diesem Gangster von Hausbesitzer zu suchen. Der Tod von Buller Reynolds würde kaum oberste Priorität haben.
    Hanora versetzte Myles einen Rippenstoß. »Ich meine, nachdem du von Ringsend los bist. Du hast gesagt, in Beggar’s Bush war es zwanzig vor eins. Warum hast du so lange gebraucht, um zur Daedalian Road zu kommen? Normalerweise braucht man dafür nur sieben bis acht Minuten. Komm schon, Milo, denk noch mal genau darüber nach.«
    Er hob seine rechte Hand, über die sich ein langer tiefroter Kratzer zog. »Das hab ich ganz vergessen. Das Kätzchen. Hatte sich im Stacheldraht verfangen. Hat eine Ewigkeit gedauert, es da rauszuholen …«
    Hanora schüttelte ungläubig den Kopf. »Herrgott noch mal, du bist unverbesserlich, kleiner Bruder, wirklich unverbesserlich. Ist dir das klar? Warum hast du das verdammte Vieh nicht sich selber überlassen? Trotzdem«, meinte sie nachdenklich, »trotzdem wäre es vielleicht möglich … Ich denk darüber nach. Fang du inzwischen noch mal von vorne an.«
    »Die Flugzeuge haben einen fürchterlichen Lärm gemacht …«
    »Fang bei Handl an. Und laß nichts aus.«
    »Ich erzähl es genau so, wie es war«, knurrte er wütend. »Glaubst du mir etwa nicht?«
    »Sscht, natürlich glaube ich dir, aber beim ersten Mal hast du das Kätzchen vergessen, stimmt’s? Ich versuch doch nur, dir zu helfen.«
    Während der Lastwagen dahinrumpelte und sich in die Schlange von Autos einreihte, die sich langsam die Pearse Street entlangschoben, ging Myles seine schrecklichen Erlebnisse noch einmal sorgfältig und peinlich genau durch. Bei diesem dritten Mal, als er das Geschehen seiner Schwester Schritt für Schritt schilderte, wurde ihm erneut klar, wie sehr der Augenschein gegen ihn sprach. Jedes Mal wenn er das Ganze durchging, tauchten bedrohliche winzige Einzelheiten auf, die er übersehen hatte. Er hätte geradewegs nach Hause gehen sollen. Er hätte Reynolds nicht nachschleichen sollen. Jedenfalls – Pech für ihn.
    »Ich bin einfach immer weitergerannt«, schloß er verzweifelt. »O lieber Gott, hilf mir, was soll ich nur machen? Kein Mensch wird mir glauben.«
    »Hat irgend jemand euch alle drei sehen können?« fiel Hanora ihm ins Wort. »Ich meine, Buller, den Radfahrer und dich? Irgend jemand, der dich kennt? Der deine Aussage bestätigen könnte?«
    »Da war niemand«, erklärte er mißmutig und wich ihrem Blick aus. »Kein Mensch. Nur dieses schreckliche Weib, das hinter mir drein gekreischt hat. Sonst war da keiner.«
    »Bist du sicher? Wirklich nicht?«
    Der Junge schwieg, während er jede einzelne schreckenerregende Sekunde noch einmal durchlebte, jedes einzelne Standbild des Films, der in sein Gedächtnis eingebrannt war, überprüfte.
    Nachdenklich schüttelte er den Kopf. »Nein. Die Gegend war menschenleer. Da war sonst niemand. Zuerst hab ich gedacht, sie brüllt dem Radfahrer nach, aber dann habe ich gemerkt, sie hat auf mich gedeutet.«
    »Bist du sicher?« Hanora gab nicht nach. »Hätte irgend jemand sonst sehen können, wie es geschehen ist? Dich sehen können? Oder den Radfahrer? Was ist mit den anderen Häusern? Kennst du dort irgend jemand?«
    Einen langen

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