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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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sorgt für uns«, bekräftigte sie schrill.
    »Ich würde sagen, Miss, wenn jemand sich um euch kümmert, dann bist du das.« Seine Stimme klang freundlich. »Ich bin nicht hinter deiner Mutter her, Kind, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
    »Nummer acht. Das große Haus dort hinten. Zwei Stiegen hinauf. Das zweite Zimmer rechts«, erklärte sie kurz und bündig. Sie hob das Kind hoch und ging.
    Die hat einen erstaunlichen Sinn für die Wahl des richtigen Zeitpunkts, dachte O’Keefe, denn gerade als er sie zurückhalten wollte, tauchte in der Tür von Nummer acht mit zerzausten Haaren Vavasour auf.

8
    »Kennst du die Kleine da?« fragte O’Keefe leise den jungen Polizisten, nachdem er ihn beiseite gezogen hatte.
    »Wen? Lily Sweetman? Ja, Sir.«
    »Knöpf deinen Uniformrock zu, Mann. Und setz deinen Helm auf. Wir untersuchen hier einen Mord«, fuhr er ihn barsch an. »Kennst du sie gut, mein Sohn?«
    »Ja, Sir. Wohnt im obersten Stockwerk. Sie paßt auf den kleinen Gauner auf – wenn wir ins Kino wollen oder so.«
    »Du hast ein Kind?« sagte O’Keefe überrascht. Der junge Mann war wenig älter als ein Schuljunge, und sein Lohn reichte wohl kaum aus, um einen zu ernähren, geschweige denn drei. Kein Wunder, daß er in einer solchen Bruchbude hauste.
    »Ja, Sir. Sean, Sir«, fügte er verlegen hinzu.
    »Sean?« wiederholte O’Keefe einfältig, da er im ersten Augenblick die Bedeutung des Namens des Kindes nicht ganz kapierte. »Sean, hm?« Er war erfreut.
    »Ein halbes Jahr alt, Sir. Großartiger kleiner Bursche.«
    »Das Mädchen, Junge, über die möchte ich was hören«, fuhr der Sergeant ihn barsch an.
    »Rose, die Frau, Sir. Meine Rose sagt, Lily Sweetman ist das tüchtigste kleine Mädchen in ganz Irland. Wie sie mit dem Baby umgeht, das ist großartig. Rose bringt ihr auch Nähen bei. Rose ist Schneiderin, sie glaubt, Lily ist sehr vielversprechend«, fügte er stolz hinzu; die Schrecken von vorhin waren vergessen. Er richtete sich zu voller Größe auf und nahm Stellung an, und ein Strahlen uneingeschränkter Freude überzog sein breites Kartoffelgesicht. Unangreifbar wirkte er; der Waisenknabe, der in der Liebe für seine Familie geborgen ist.
    O’Keefe mußte plötzlich an seine eigenen Söhne denken, die weit weg auf irgendeinem schlammigen Schlachtfeld kämpften. Die Kriege anderer Leute ausfochten. Er hatte keine Ahnung, wo, in den Briefen erwähnten sie das nicht, aber er hoffte aus ganzem Herzen, nicht auf Kreta. Selbst die nichtssagenden, zensierten Berichte in den Zeitungen konnten nicht verhehlen, daß auf Kreta Schreckliches geschah. Wo auch immer das war. Er mußte mal auf einer Landkarte nachsehen.
    »Sir?« Der junge Polizist legte ihm leicht die Hand auf den Arm.
    O’Keefe riß sich zusammen. »Also gut, Junge. Könntest du mal rübergehen und mit ihr reden. Ich will wissen, was sie im Schild führt …«
    »Ach, Sir, Lily führt nie was im Schild«, unterbrach Vavasour ihn.
    »Na ja, genau das frage ich mich. Geh einfach rüber und krieg raus, warum sie die ganze Nacht hier rumhing, so daß das arme Kind nicht in sein Bett gekommen ist. Und sie auch nicht. Die kippt doch gleich aus den Latschen. Dafür muß es einen Grund geben.«
    »Die wartet jede Nacht, bis ihre Mutter heimkommt, Sir. Hat es nicht gerade leicht, die arme Lily. Und genau das hat sie auch letzte Nacht gemacht. Haben Sie nicht gesehen …«
    »Natürlich hab ich das gesehen, glaubst du, ich bin blind?« unterbrach O’Keefe ihn barsch. Er fragte sich, warum die Naivität des jungen Mannes ihn derart reizte. Beinahe hätte er ihn gefragt, ob Lily Sweetman etwas von seinem Streit mit Reynolds wußte, beschloß jedoch, sich damit später zu befassen. Er zog den jungen Garda am Ärmel zu der Stelle, wo Lily saß und das Kind wiegte.
    »Aber jetzt wartet sie nicht auf sie, oder?« fuhr er leise fort. »Und wenn du schon dabei bist, find raus, um welche Uhrzeit die Mutter das Haus verlassen hat, verstanden? Reynolds muß eben erst …«
    »O nein, Sir.« Constable Vavasour errötete. »Mr. Reynolds hatte auch andere, hm …«
    »Anlaufhäfen? Willst du das damit sagen?« O’Keefe konnte nicht verhindern, daß Abscheu in seiner Stimme mitschwang. Allmächtiger Gott, dachte er, was für ein Dreckskerl war der gewesen.
    »Ja«, murmelte der junge Mann kläglich. »Da ist Mrs. Coffey nebenan und …«
    O’Keefe hob die Hand. Er ging zu dem kleinen Fleckchen Gras – die Bezeichnung Garten verdiente das nicht –,

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