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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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Lily Sweetman sorgfältig im Auge behalten. Und nicht noch mehr Zeit vertrödeln. Aber zuerst würde er zu ihrer Mutter gehen und mit der reden.
    Wie auf ein Stichwort hin schlurfte jetzt Nan Sweetman aus dem Haus; sie blieb auf der Schwelle stehen und sah sich verschlafen nach ihren Sprößlingen um.
    »Kein Brot mehr da«, brüllte sie. Sie hielt eine Hand vors Gesicht, konnte aber weder den purpurroten Bluterguß noch das geschwollene Auge verbergen. »Warum hast du kein Brot geholt, du Trampel?«
    »Es ist kein Geld da, Mam.« Lily rieb sich die Augen. »Aber ich habe von dem von gestern was für dich aufgehoben«, fügte sie beschwichtigend hinzu. »Es liegt unter einem Tuch auf dem Bord. Ich habe zwei Scheiben für dich aufgespart, Mam. Ich röste sie dir, Mam. Ich …« Sie wollte aufstehen, aber ihre Mutter ging bereits wieder ins Haus zurück. Plötzlich blieb sie stehen und drehte sich auf dem Absatz um.
    »Lily Sweetman«, kreischte sie. »Was fällt dir eigentlich ein, mit den Polizisten da zu quatschen?«
    Lily gab das Kind Martin und rannte auf ihre Mutter zu, die erschrocken zurückwich, beide Hände vors Gesicht geschlagen, als wolle das Mädchen ihr etwas antun.
    »Buller Reynolds ist ermordet worden. Mammy. Buller ist tot. Jemand hat ihn totgeschossen.«
    Einen Augenblick sah Nan sie an, dann reckte sie ihre Arme zum Himmel und sank langsam auf die Knie.
    »O Lily, Lily. O gnadenreiche Stunde«, sagte sie und zog ihre Tochter an sich.
    Martin Vavasour ging, den kleinen Jimmy auf dem Arm, zu ihnen hinüber. Bei der Tür bückte er sich, zog Mrs. Sweetman auf die Beine und führte, ohne auch nur ein Wort an seinen Vorgesetzten zu richten, die Familie ins Haus.
    Vor Mitleid den Tränen nahe, wandte O’Keefe sich ab. Er fühlte sich zu ausgelaugt, um jetzt weiterzumachen, aber er wußte, es blieb ihm keine andere Wahl. So viele unangenehme Fragen waren zu beantworten. Irgendwie mußte er eine Möglichkeit finden, den jungen, naiven Garda Vavasour zu beschützen. Und das Mädchen. In Kürze würde einer seiner Vorgesetzten daherkommen, der mehr von ihm erwartete als verschwommene Theorien von Phantomjungen als Mördern. Und bald würde auch Dolly Brennan ihn wieder ins Visier nehmen, getrieben von selbstgerechter Entschlossenheit und Forderungen nach »jemandem, der etwas zu sagen hat« und in dessen Ohr sie brüllen konnte, bis er taub war.
    Er wünschte, er wüßte ein bißchen mehr über Schußwaffen. Er wünschte, er hätte eine genauere Vorstellung, wonach genau er suchte. Etwas, irgend etwas, das aus dem Rahmen fiele. Er ging wieder zu der Stelle zurück, wo der Tote gelegen hatte, suchte eingehend den Boden zwischen der Kreidemarkierung und dem Haus ab, wo sein Kleiner Schatten Wache gehalten hatte.
    Ein paar Minuten später kam er zu der Stelle, wo das Pflaster ein Stück weit in das kümmerliche Stück Wiese hineinragte, das einmal ein Garten gewesen war. Eine riesige purpurrote Blüte war alles, was von einem längst eingegangenen Rosengesträuch übrig geblieben war. Das Gras darunter war von Unkraut überwuchert und struppig. Soweit er sehen konnte, war nichts daran verändert worden, aber ein kleines Stückchen weiter, gleich hinter dem Busch, waren einige Grasbüschel niedergetreten. Er war überrascht, daß ihm das nicht schon vorher aufgefallen war. Er kauerte sich hinter den Busch und spähte durch ihn auf die Kreidezeichnung. Zufrieden knurrte er, als er sich auf seinen ausgebreiteten Händen langsam zu dem Haus dahinter zurückschob, zu Nummer elf, wobei er auf beiden Seiten von sich den Boden abtastete.
    Plötzlich spürte er eine kleine, schmuddelige Hand auf seinem Gesicht. Mit einem lauten Schrei der Verärgerung wich O’Keefe zurück und sah auf. Lily Sweetman hatte sich neben ihn geduckt. Sie legte einen Finger auf die Lippen und deutete auf zwei kleine Laubhaufen ungefähr eineinhalb oder zwei Meter von ihnen entfernt. Sergeant O’Keefe rappelte sich auf und ließ sich von ihr führen. Beim ersten Haufen kniete sie bedächtig nieder. Sie streckte die Hand aus, und er machte einen Satz nach vorne, um sie aufzuhalten, aber sie schüttelte ihn unwillig ab. Später erinnerte er sich, obwohl es ihm damals nicht aufgefallen war, wie stark sie war und wie geschickt sie ihn abgewehrt hatte. Schweigend beobachtete er, wie sie einen kleinen Zweig abbrach. Ihre Hand verharrte über den Blättern, dann hob sie sehr vorsichtig mit dem Stöckchen einen kleinen Zweig nach oben, der, als

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