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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma O'Connor
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Kopf, ging ein Stück weiter und stellte sich direkt unter das Fenster, von dem aus Mrs. Brennan angeblich gesehen hatte, wie »der Junge« Reynolds ermordete; dabei tat er so, als bemerke er nicht, daß die Blicke seines Kleinen Schattens ihm folgten.
    Angenommen, dachte er, nur einmal angenommen, Buller hatte »dem Jungen« den Rücken zugewandt? Hätte der Aufprall des Schusses ihn herum wirbeln lassen? Ganz abgesehen von O’Keefes Zweifeln hinsichtlich »des Jungen« blieb die Tatsache bestehen, daß der Hinterkopf des Mannes weggeschossen worden war. Selbst in diesem frühen Stadium ergab die Theorie mit dem Jungen einfach keinen Sinn. Außer vielleicht, er war Zeuge des Geschehens geworden.
    Und mit dieser sein Denken beherrschenden Vorstellung im Kopf überquerte Sergeant O’Keefe die Straße und begann, peinlich genau den Boden dort abzusuchen, wo Dolly Brennan angeblich den Phantomjungen gesehen hatte. Phantom war der richtige Ausdruck. Wenn man sie fragte, konnte sie ihn nicht beschreiben, außer als »jemand, den ich vielleicht schon mal gesehen habe«. Es würde ihr schon wieder einfallen, sie hätte ein gutes Gedächtnis, behauptete sie. Griesgrämig zogen O’Keefes Mundwinkel sich nach unten. Seltsam, daß niemand sonst ihn gesehen hatte.
    Er bückte sich und suchte Zentimeter für Zentimeter den Boden ab – ohne Erfolg. Noch schlimmer, es sah so aus, als wäre er irgendwie verändert – O’Keefe war sich nicht ganz sicher, warum er dieses Gefühl hatte. Auf der Seite mit den Gleisen, wo er suchte, war kein Pflaster, nur Gestrüpp, unter dem auf kleinen sandigen Flecken struppige Grasbüschel wuchsen. Der Boden sah aus – oder bildete er sich das nur ein? –, als wäre jemand mit einem Besen oder vielleicht einem Kleidungsstück darübergefahren. Sergeant O’Keefe richtete sich auf, streckte seinen schmerzenden Rücken und ließ seinen Blick in die andere Richtung schweifen. Gewiß, dort gab es genügend Anzeichen, daß sich hier oft Leute aufhielten, viele Leute. Und auch jede Menge Abfall lag da herum. Weggeworfene Bonbonpapiere, Zigarettenschachteln und Blechdosen. Mein Gott, was für ein trostloser Ort.
    Eine schwarze Rußschicht auf dem Geländer und den Büschen trug das Ihre zu der allgemeinen Verwahrlosung bei. Er schaute auf die andere Straßenseite. Nur jene sechs heruntergekommenen, überfüllten Häuser waren von einer einst wohl recht hübschen Häuserzeile übrig geblieben. Alles andere war entweder vernagelt worden, oder man hatte es abgerissen, um Platz für ein Wohnungsbauprojekt der Gemeinde zu schaffen, das dann, mit der Ausrufung des Notstands, begraben worden war. Wie lange der Krieg auch dauern würde, die Bewohner der Daedalian Road waren dazu verdammt, sich in dieser Zeit nicht von hier wegzurühren.
    Die Häuser, die Reynolds gehört hatten, waren nie für eine Mehrfachbelegung gedacht gewesen; in den kleineren hatte schon eine einzige Familie kaum Platz, ganz zu schweigen von zwei oder drei. Das mehrstöckige Haus war viel größer, aber in drei Wohnungen und vier Einzelzimmer unterteilt und beherbergte dreiundzwanzig Bewohner. Die Ratten nicht mitgerechnet. Es hieß, das Haus sei von Ratten verseucht. Und O’Keefe wußte das aus sicherer Quelle. Es hatte sich herausgestellt, daß sein Assistent hier wohnte. Und, nebenbei bemerkt, auch der Kleine Schatten.
    O’Keefe stand mit dem Rücken zu den Bahngleisen und sah sich nach dem Mädchen um. Sie hatte sich woanders hingesetzt. Jetzt kauerte sie am Rand des Gehwegs, wiegte das Kind auf ihrem Schoß und sang leise. Sie blickte nicht auf, aber er war sicher, sie beobachtete ihn nach wie vor. Und was noch interessanter war: Sie rückte immer näher zu ihm heran.
    Sergeant O’Keefe tat so, als bemerke er sie nicht, blickte die Straße auf und ab, zog seine Taschenuhr heraus, überprüfte die Uhrzeit, schüttelte die Uhr, hielt sie ans Ohr und steckte sie wieder ein. Der glücklose Gardaí-Neuling Vavasour war zu spät dran. Er wußte nicht, sollte er wütend oder erleichtert sein. Eine große Hilfe war er nicht, der arme Kerl. Zwar war er ängstlich darauf bedacht, alles richtig zu machen, und eifrig bestrebt, etwas zu lernen, aber nach Ansicht des guten Sergeant hatte er einfach nicht das Zeug zu einem Polizisten, nicht einmal der untersten Rangstufe. Allerdings könnte er durchaus etwas herausfinden, schließlich und endlich war er aus der Gegend. Und mit diesem absonderlichen Namen geschlagen.
    »In Gottes Namen, wo

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